LEITARTIKEL

Neustart mit Handbremse

Die morgige Hauptversammlung von Eon, auf der die Aktionäre über die Abspaltung der Kraftwerkssparte entscheiden, ist vor allem noch aus technischer Sicht bedeutsam: Es geht darum, keine Fehler zu machen und keine Anfechtungsklagen zu provozieren....

Neustart mit Handbremse

Die morgige Hauptversammlung von Eon, auf der die Aktionäre über die Abspaltung der Kraftwerkssparte entscheiden, ist vor allem noch aus technischer Sicht bedeutsam: Es geht darum, keine Fehler zu machen und keine Anfechtungsklagen zu provozieren. Inhaltlich ist die Sache längst entschieden. Es gibt heute im Markt keine einzige ernsthafte Stimme, die den geplanten Spin-off ablehnt. Mindestens 75 % der Anteilseigner müssen der Spaltung noch zustimmen – diese Hürde sollte problemlos zu nehmen sein.Natürlich ist die Frage berechtigt und kann durchaus noch einmal kontrovers diskutiert werden, ob den Kosten im hohen dreistelligen Millionenbereich, die diese Transaktion verursacht, mittelfristig auch adäquate Ergebnisse gegenüberstehen. Immerhin musste Uniper erst einmal rechtlich eigenständig aufgestellt werden. Es mussten IT-Systeme neu installiert, Rechtsberater und Investmentbanker bezahlt werden. Und das Übertragen von Immobilien hat viel Steuern gekostet. Hier das Rad wieder zurückzudrehen, wäre heute wohl nur noch eine theoretische Option. Zudem: Wer dem Spin-off kritisch gegenübersteht, hatte jetzt ja auch eineinhalb Jahre Zeit gehabt, seine Anteile an Eon zu verkaufen.Ebenso sicher wie das Votum der Aktionäre sind allerdings auch die Startschwierigkeiten, mit denen beide Unternehmen nach ihrer Trennung zu kämpfen haben. Die Rahmenbedingungen haben sich seit der Ankündigung der Aufspaltung Ende 2014 nämlich deutlich verschlechtert. Bei der Kraftwerksgesellschaft Uniper hat das mit einem rund ein Jahr anhaltenden Einbruch der Strombörsenpreise zu tun, die erst im Februar vorerst ihren Boden gefunden haben. Bei der neuen Eon verursacht dagegen vor allem die Neuordnung des Atomausstiegs Bauchschmerzen.Es war bei den ursprünglichen Spaltungsplänen vorhersehbar gewesen, dass die Politik dazwischengrätscht und eine Abschiebung der Kernenergie-Verantwortung auf Uniper nicht akzeptieren würde. Der RWE-Konzern hat bei seiner Neuaufstellung ein weit weniger angreifbares Konstrukt gewählt. Die Folge war, dass Eon im letzten Jahr die Assets im deutschen Atomenergiegeschäft einschließlich der dazu gehörenden Rückstellungen und Risiken wieder ins eigene Portfolio nehmen musste. Sollten die Vorschläge der Atomkommission nun in Gesetzesform gegossen werden, kommt auf die künftige Eon bis 2022 noch ein Mittelabfluss von etwa 10 Mrd. Euro zu. Dann werden 8 Mrd. Euro an Rückstellungen in den neuen staatlichen Fonds fließen, der sich um die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll kümmern soll. Hinzu kommen nach ersten Schätzungen rund 2 Mrd. Euro für den veranschlagten Risikoaufschlag.Für den Kapitalmarkt hat die Lösung der Atomfrage wohl einen weit höheren Stellenwert als die Trennung von alter und neuer Energiewelt, wie die jüngsten Roadshows von Eon noch einmal deutlich gemacht haben. Es geht darum, für Investoren unkalkulierbare, jahrzehntelange Milliardenrisiken aufzulösen. Auch darum wurde dem Management von den Investoren signalisiert, dass der Markt auch eine Kapitalerhöhung zur Finanzierung der Enthaftung mittragen würde.Gegenüber den ursprünglichen Planungen fehlen nach der Aufspaltung jährliche Erträge im dreistelligen Millionenbereich. Es ist ein Neustart mit angezogener Handbremse – für beide Unternehmen. Auch die neue Eon wird nicht gleich auf Wachstum umschalten können, wie einst erhofft, sondern muss jetzt erst einmal eine mindestens zweijährige Transformationsphase meistern. Die Investitionen werden zunächst wohl nur auf Abschreibungshöhe liegen – in Aussicht gestellt war ursprünglich die doppelte Summe. Operativ ist damit vorerst allenfalls ein stabiles Ergebnis zu erwarten.Auch Uniper wird in den nächsten Jahren von Wachstum nur träumen können. Im Gegenteil: Der Stromerzeuger muss eher den Gürtel noch enger schnallen – neue Sparprogramme, Assetverkäufe und Investitionskürzungen müssen bis 2018 greifen, weil spätestens dann die niedrigeren Strompreise neue Löcher ins Ergebnis reißen.Vielleicht erhält Uniper bis dahin ja noch Unterstützung durch die Bundesregierung durch die Einführung eines Kapazitätsmarktes. Vielleicht erhält auch Eon noch Unterstützung durch das Bundesverfassungsgericht in der anstehenden Entscheidung zur Kernbrennstoffsteuer. Dies könnte die Handbremse bei beiden ein wenig lösen. Der Neustart bleibt aber auch dann holprig.——–Von Andreas HeitkerDie Aktionäre werden der Aufspaltung morgen grünes Licht geben. Von neuem Wachstum können aber sowohl Eon als auch Uniper nur träumen.——-