KommentarRegierungsbildung

Neuwahlen in Spanien sind keine Lösung

Das Ergebnis der vorgezogenen Wahlen in Spanien lässt als einzig realistische Machtoption eine Neuauflage der Linkskoalition mit Unterstützung der Nationalisten zu. Doch das gestaltet sich weit komplizierter als bisher.

Neuwahlen in Spanien sind keine Lösung

Spanien

Neuwahlen sind keine Lösung

Von Thilo Schäfer

Eine weitere linke Minderheitsregierung unter Sánchez ist die einzig realistische Option.

Nach den Parlamentswahlen von 2019 formierte sich in Spanien erstmals in vier Jahrzehnten der jungen Demokratie eine Koalitionsregierung auf nationaler Ebene. Die Sozialisten der PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez regierten mit Unidas Podemos, einem Bündnis verschiedener linker Parteien. Das allein gestaltete sich schon schwierig, doch noch dazu war diese Minderheitsregierung im Parlament auf die Unterstützung anderer angewiesen, hauptsächlich der Nationalisten und Separatisten aus Katalonien und dem Baskenland. Das Experiment lief besser als erwartet. Die Linksregierung brachte drei Haushalte und zahlreiche wichtige Projekte durch, darunter die erfolgreiche Reform des Arbeitsmarktes.

Das Ergebnis der vorgezogenen Neuwahlen vom Sonntag lässt als einzig realistische Machtoption eine Neuauflage der Linkskoalition zu. Die konservative Volkspartei PP ist zwar der Sieger der Wahl, doch mit 136 von 350 Sitzen im Unterhaus blieb sie weit unter den Erwartungen. Die PP hatte zuvor die roten Linien zu Vox aufgegeben und regiert mit den Rechtspopulisten in zahlreichen Rathäusern und einigen Regionen. Die Nähe zu Vox macht jegliche Bündnisse mit den Nationalisten unmöglich. Der Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo besteht darauf, dass die Partei mit den meisten Stimmen ein Recht aufs Regieren habe und die Sozialisten ihn daher unterstützen sollten. Doch eine große Koalition ist in der aufgeheizten politischen Landschaft Spaniens gegenwärtig undenkbar.

Sánchez, der als angezählt galt, errang am Sonntag einen überraschenden Coup. Die PSOE gewann gegenüber 2019 sogar zwei Sitze hinzu. Dennoch wird die Neuauflage der Linkskoalition diesmal erheblich komplizierter. In der letzten Legislaturperiode konnte Sánchez rechnerisch auf den ein oder anderen unwilligen Partner im Parlament verzichten. Nun müsste er bei jeder Abstimmung alle der Nationalisten für seine Projekte gewinnen. Das treibt den Preis der Verhandlungen in die Höhe. Außerdem haben die Konservativen jetzt die absolute Mehrheit im Senat, wo sie Gesetze zwar nicht kippen, den Prozess aber sehr verlangsamen können. Die PP regiert zudem in 12 der 17 autonomen Regionen.

Die Zeiten werden härter, die Konjunktur kühlt sich ab, die Staatsfinanzen müssen ab 2024 wieder unter Kontrolle gebracht werden, und die Zinsen verteuern die Schulden. Das alles mit einer wackeligen Regierungsmehrheit zu stemmen ist eine enorme Herausforderung. Neuwahlen auszurufen wäre jedoch keine Lösung, denn es ist bei weitem nicht garantiert, dass dabei stabilere politische Verhältnisse herauskämen. Sánchez muss es versuchen.

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