Nicht sanierbar
Irgendwann ist auch die größte Geduld zu Ende, will auch ein spendabler Großaktionär nach verlustreichen Jahren Gewinne sehen. Die letzte Chance vor einem absehbaren Aus der chronisch defizitären Air Berlin hat nun Stefan Pichler, der zum Monatswechsel das Steuer übernimmt. Nachdem erst der tatkräftige Ex-Bahn-Chef Hartmut Mehdorn, dann der stille Wolfgang Prock-Schauer an der Mammutaufgabe gescheitert sind, die von Neu-Gründer Joachim Hunold übereilt und überteuert zur zweitgrößten Fluggesellschaft hierzulande aufgeblasene Air Berlin zu sanieren, soll es nun dem 57-jährigen Pichler gelingen, die Airline in die schwarzen Zahlen zu steuern. Kaum zum neuen Vorstandschef ernannt, ließ sich der bisherige CEO der gerade einmal sieben Düsenjets umfassenden Fiji Airways lautstark vernehmen, ein “einfaches Weiterwursteln” funktioniere bei Air Berlin mit ihren knapp 150 Flugzeugen nicht mehr. Folglich müsse bei der angeschlagenen Airline alles auf den Prüfstand gestellt werden. Exakt dieselben Worte hatte auch Mehdorn gewählt, als er das erste Restrukturierungsprogramm erheblich verschärfte und auch Prock-Schauer sagte sie bei der Ankündigung der nunmehr dritten Sanierungsrunde. Mit dem Ergebnis, dass 2014 absehbar ein Verlust von etwa 350 Mill. Euro angefallen sein dürfte. Diese Fluglinie scheint nicht sanierbar zu sein.Zum Alles-auf-den-Prüfstand-Stellen gehört seit Anbeginn, das seit Jahren kritisierte Geschäftsmodell aus Touristik – der Keimzelle der Berliner -, Europaverkehr und Langstrecke zu überprüfen. Alle drei Segmente seien werthaltig und könnten gewinnbringend betrieben werden, ein Abtrennen einer dieser Sparten sei “nicht sinnhaftig”, sagte Prock-Schauer zuletzt – und mit Blick auf Pichlers Vorwurf des einfachen Weiterwurstelns: “Ich glaube nicht an die ganz großen Würfe.” Zumal der Aufsichtsrat erst kurz zuvor das Beibehalten des bisherigen Geschäftsmodells abgesegnet hatte.Tatsächlich ist zu beobachten, dass die viel kritisierte Kombination von Netzwerk- und Low-Cost-Carrier für Geschäfts- und Privatreisende von einigen anderen Airlines kopiert wird – schon allein deshalb, um die eigenen Flugzeuge besser auslasten zu können. Woran aber liegt es dann, dass Air Berlin trotz der vielfachen Sanierungsanstrengungen nicht aus den roten Zahlen fliegen kann? Und dass das negative Eigenkapital immer größer wird? Schon vor dem für die gesamte Branche defizitären Winterhalbjahr lag die Quote Ende September bei minus 4,9 % – obwohl Großaktionär Etihad seit seinem 29-prozentigen Einstieg 2012 weit über 600 Mill. Euro an neuem Geld eingeschossen hat – etwa das Fünffache der aktuellen Marktkapitalisierung. Kein Zweifel, die Araber aus dem ölreichen Golfemirat Abu Dhabi sind so etwas wie eine Lebensversicherung für Air Berlin, ohne die die Hauptstädter schon längst ihre zum allergrößten Teil geleasten Jets hätten abgeben müssen. Die Frage ist nur, wie lange die Geduld des ehrgeizigen Etihad-Vorstands noch reicht, der zusammen mit den benachbarten Kollegen von Emirates und Qatar die etablierten europäischen Airlines wie Lufthansa oder British Airways das Fürchten lehrt.Noch braucht Etihad aber Air Berlin. Mangels ausreichender Landegenehmigungen in Europa sollen die Deutschen massenhaft Passagiere nach Abu Dhabi schaufeln, von wo sie dann die expansive arabische Airline weiter in die Welt transportiert. Der Heimatflughafen von Etihad wird damit so etwas wie das dritte deutsche Hub, nach Frankfurt und München. Kein Wunder, dass die immer stärker unter Druck stehende Lufthansa gemeinsam mit den hessischen und bayerischen Landesregierungen in Berlin darauf dringt, den lästigen Konkurrenten auszubremsen – und sei’s nur, indem das Codesharing, die gemeinsame Vermarktung von Flügen, massiv eingeschränkt würde, zu Lasten von Air Berlin. Dagegen signalisiert die Bundesregierung, Deutschland brauche den Wettbewerb von zwei starken nationalen Fluggesellschaften.Und Pichler? Von ihm erwartet Großaktionär Etihad, dass er mit deutlicherer Ansprache im angestammten Touristikgeschäft wieder Marge macht. Dass er dem wachsenden Wettbewerb der expansiven Ryanair, Vueling und Norwegian trotzt. Und dass das neue Revenue-Managementsystem endlich Erfolge zeitigt, schaffte es Air Berlin doch nicht einmal in konjunkturellen Boomzeiten, den Yield (Umsatz je Passagier) anzuheben. Es müssen endlich schwarze Zahlen her – und nicht nur Ankündigungen, in zwei Jahren sei es dann so weit. Das gesamte Geschäftsmodell steht damit wieder einmal zur Disposition. Denn ohne Erfolg ist die Geduld bald endgültig aufgebraucht und Air Berlin stürzt ab.——–Von Ulli GerickeEs müssen endlich schwarze Zahlen her – und nicht nur Ankündigungen, in zwei Jahren sei es dann so weit. Sonst stürzt Air Berlin ab.——-