LeitartikelTelekomausrüster

Nokia auf der schiefen Bahn

Der Bannstrahl gegen Huawei hat den skandinavischen Telekomausrüstern nicht den erhofften Wachstumsschub gesichert. Besonders Nokia braucht ein zweites Standbein.

Nokia auf der schiefen Bahn

TELEKOMAUSRÜSTER

Auf der schiefen Bahn

Der Bannstrahl gegen Huawei hat den skandinavischen Telekomaus­rüstern nicht den erhofften Wachstumsschub gesichert. Besonders Nokia braucht ein zweites Standbein.

Die jüngsten Hiobsbotschaften von Nokia haben die Experten auf dem falschen Fuß erwischt. Bis dahin gingen nicht wenige davon aus, dass der finnische Telekomausrüster sich im dritten Quartal besser schlagen würde als Konkurrent Ericsson. Schließlich hatte CEO Pekka Lundmark dem Konzern bei seinem Antritt vor gut drei Jahren schon eine Rosskur verordnet, um die Mittel für die nötigen Investitionen in die neue 5G-Technik freizusetzen und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen. Der Kraftakt begann sich auszuzahlen, als insbesondere der lukrative US-Markt mit der Implementierung des neuen Standards voranging und Nokia hier teilweise verlorenen Boden gutmachen konnte.

Missglücktes Kalkül

Überdies wurde sowohl in Espoo als auch in Stockholm die weitgehende Blockade des chinesischen Rivalen Huawei in den westlichen Märkten ins Kalkül gezogen. Huawei, die bis vor wenigen Jahren noch globaler Marktführer war, wurde auf Betreiben der USA im Westen wegen Sicherheitsbedenken ins Abseits gedrängt. Die Verengung auf ein De-Facto-Duopol, dem sich die Telekomnetzbetreiber gegenüber sehen, sorgte für Preisauftrieb bei neuer Netztechnik, vor allem in den USA. In Europa allerdings weniger, denn hier sehen sich die Kunden von Nokia und Ericsson kaum in der Lage, steigende Kosten an ihre Kunden weiterzureichen. Stattdessen treten die Telekomkonzerne in einem unsicheren konjunkturellen Umfeld auf die Investitionsbremse.

Marge im Blick

Die Folge ist ein Umsatzsturz, der bei Nokia im Kerngeschäft mit rund 20% noch heftiger ausfällt als bei Ericsson. Die Kosteninflation durch Forschung und Entwicklung führte überdies bei den Finnen zu einem Gewinneinbruch von 70%. Lundmark sieht sich zu einem weiteren Sparprogramm mit einem Stellenkahlschlag von einem Sechstel aller Beschäftigten gezwungen, um das Vertrauen der Investoren in die mittelfristigen Margenziele nicht vollends zu verlieren. Indes ist das Ansparen gegen eine anhaltende Umsatzschwäche eine wenig vertrauensbildende Maßnahme – wie ein Kursverlust von 8% in den letzten sechs Tagen zeigt.

Es stellt sich heraus, dass die politisch motivierten strukturellen Verschiebungen im Markt der Telekomausrüster für Nokia und Ericsson nicht die positiven Auswirkungen haben, auf die das Management sicher gesetzt hatte. Einem lukrativen Investitionszyklus in den USA, der naturgemäß endlich ist, stehen wegbrechende Umsätze in China gegenüber, wo die westliche Sicherheitskampagne für die beiden skandinavischen Telekomausrüster zum Bumerang wird. Als zweitgrößter 5G-Markt der Welt ist China fest in der Hand der heimischen Ausrüster Huawei und ZTE. Hinzu kommt, dass vor allem die technologisch führende Huawei in vielen globalen Märkten weiterhin die Nase vorn hat. Zwar können Lateinamerika und Afrika die Nachfrage im Westen sowie verbundene Länder wie Indien oder Australien, die chinesische Anbieter praktisch ebenfalls ausgeschlossen haben, bisher nicht aufwiegen; dennoch dürften auch diese Regionen eine Aufholjagd bei Telekommunikationsinfrastruktur vorantreiben, vor allem im Mobilfunk.

Nicht viel zu holen

Dass für die skandinavischen Ausrüster da viel zu holen ist, darf bezweifelt werden, denn die Kostennachteile sind hier groß. Nicht von ungefähr hat Ericsson über Jahre versucht, im Nahen Osten und in Asien mit eher unlauteren Mitteln Geschäft heranzuziehen, das im gewöhnlichen Wettbewerb nicht zu gewinnen war. Als Folge steckt der Konzern in einem offenbar tiefen Korruptionssumpf. Wenn Nokia und Ericsson ihren globalen Footprint wieder stärker ausbalancieren wollen, um der zyklischen Natur von Telekommunikationsinvestitionen entgegenzutreten, werden sie um eine deutliche Anpassung ihrer Kostenbasis nicht herumkommen.

Um Halt zu finden auf der schiefen Bahn, braucht es aber mehr als Sparprogramme. Zusätzlich zum Kerngeschäft, in dem sich Nokia in der Vergangenheit mit der Mammutfusion mit Alcatel-Lucent und zuvor Siemens Networks eine kritische Größe erkauft hat, ist ein zweites Standbein unerlässlich, um Schwankungen im Kerngeschäft abzufedern. Mit dem frühen Vorstoß in den stark wachsenden Bereich privater Unternehmensnetze hat Nokia sich dafür bereits eine gute Ausgangsposition erarbeitet.

Von Heidi Rohde
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.