Notiert inMoskau

Animation zum Gebären

Aus einer Vielzahl von Gründen fällt Russland gerade in ein tiefes demografisches Loch. Um mehr Nachwuchs zeugen zu lassen, scheut die Propaganda kein Mittel.

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Notiert in Moskau

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Von Eduard Steiner

Es ist vom Phänomen her nicht neu, was sich demografisch gerade in Russland zuträgt. Schon früher gab es große Bevölkerungsdellen – nicht zuletzt wegen eines Mangels an Männern. Der Krieg war immer nur einer der Gründe dafür, wenn auch ein gravierender – wie jener in Afghanistan ab 1979. Die schlechten Bedingungen am Arbeitsplatz, vor allem in gefährlichen Jobs wie im Bergbau, waren oft mitverantwortlich dafür, dass gerade die Männer sehr früh starben und es kaum jemals zu einem ausgewogenen prozentualen Verhältnis zwischen Männern und Frauen kam. Und dann noch der Alkohol …

Gegenwärtig ballen sich alle Probleme zur gleichen Zeit. Und daher läuten in den politischen Schaltstellen die Alarmglocken. Zum Grauen des Krieges kommt nämlich die Tatsache hinzu, dass Hunderttausende Männer vor einem möglichen Kriegseinsatz ins Ausland geflohen sind. Das spielt sich vor dem Hintergrund des demografischen Knicks aus den 1990er Jahren ab – dem ersten postsowjetischen Jahrzehnt. Beschäftigt mit dem Überleben in der harten bis brutalen Übergangszeit, haben die Russen damals kaum Kinder geboren. Und so ist die Zahl der heute 25- bis 35-Jährigen, die für Nachwuchs sorgen könnten, entsprechend gering. Folge: Die Bevölkerung schrumpft eher, als dass sie wächst.

Propagandamaschine angeworfen

Natürlich will der Staat das ändern. Und hat dafür schon mal die Propagandamaschine angeworfen, um die Geburtenrate zu erhöhen. Was vorher an TV-Formaten etwa zur Partnerfindung und Eheschließung schon da war, wird nun mit moralischer und vaterländischer Pflicht zur Reproduktion aufgeladen. Vor allem auf die Frauen wird der Druck erhöht, sich doch nach guter alter Tradition wieder mehr als Mutter zu verstehen.

Dass dafür stellenweise sogar der Domostroj bemüht wird, ein Kodex mit Anleitungen zum richtigen häuslichen Leben aus dem 16. Jahrhundert, gehört zu den abstrusen Mitteln im propagandistischen Repertoire. Dem Kodex, entstanden zur Zeit Iwans des Schrecklichen, liegt eine klar hierarchische Ordnung zugrunde, in der der Mann uneingeschränkt über den Rest der Familie und daher auch über die Frau herrschen kann.

Vorauseilender Gehorsam

Kein Wunder, dass einige – weibliche! – Abgeordnete in vorauseilendem Gehorsam alle möglichen Ideen zur Gewährleistung von Kinderreichtum äußern, auch wenn sie selbst nur wenige Kinder haben. Manch eine kann sich sogar einen „Kinderzwang“ vorstellen. Putin selbst spricht von „sieben, acht oder gar mehr“. Die dabei in den öffentlichen Raum posaunten Ideen sollen testen, wozu sich Russinnen und Russen in diesem Spiel noch hinreißen lassen.

Konkret macht die Regierung derweil das, was auch andere Gesellschaften in einer demografischen Krise tun würden: Ab 2025 wird das Kindergeld um 7% erhöht – für das erste Kind sind das dann pro Jahr 677.000 Rubel (6.500 Euro), für das zweite 894.000 Rubel. „Wir rechnen damit, dass über eine Million Bürger die Mittel des Kindergeldes nützen“, erklärte Sozialminister Anton Kotjakow.

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