Notiert inNew York

O’zapft is im Central Park

Anlässlich des Oktoberfests flammt auch in New York Begeisterung für bayerisches Brauereigut auf. Möglicherweise eine Chance für deutsche Anbieter, denn der US-Biermarkt ist ohnehin in Bewegung.

O’zapft is im Central Park

Notiert in New York

O’zapft is im Central Park

Von Alex Wehnert

Auf der Bühne stehen 13 mit der Statur professioneller Kugelstoßer gesegnete Männer und stemmen mit vor Anstrengung verzerrten Mienen Maßkrüge in die Luft. Wer sein Bier am längsten am ausgestreckten Arm halten kann, gewinnt – ein Spektakel, das die vielköpfige, vor dem Podium versammelte Menge mit lautstarken Anfeuerungsrufen goutiert. Wieder und wieder schallt "Ein Prosit der Gemütlichkeit", angestimmt von einem Zeremonienmeister in bayerischer Tracht, über das Festareal unter dem strahlend blauen spätsommerlichen Himmel.

Doch das hier beschriebene Maßkrugstemmen findet mitnichten auf der Münchner Theresienwiese statt, sondern im Herzen des New Yorker Central Parks. Die Teilnehmer kommen nicht aus Sendling, dem Lehel oder Unterhaching, sondern aus Ohio, Missouri oder Texas. Und der lederhosenbestückte Zeremonienmeister grölt sein "Zicke zacke zicke zacke hoi hoi hoi" mit breitem Südstaatenakzent heraus.

Das "O’zapft" an der Sommerbühne in der grünen Lunge New Yorks ist auch im laufenden Jahr wieder nur wenige Stunden nach dem offiziellen Oktoberfestauftakt am 16. September in München erklungen – und zum Anzünder einer aufflammenden Begeisterung für bayerisches und sonstiges deutsches Brauerei- und Kulturgut in der Empire City geworden. Lokale mit deutsch geprägter Speise- und Getränkekarte wie die "Reichenbach Hall" in Midtown Manhattan oder der "Bohemian Beer Garden" in Astoria sind bei Gesprächen über die Wochenend- und Abendplanung plötzlich heißes Thema.

Ebenso in aller Munde sind literweise Weihenstephan, Hofbräu und Allgäuer Büble, deren kräftiger Wohlgeschmack bei von Light-Bieren der Marken Budweiser, Coors und Miller gepeinigten amerikanischen Besuchern Begeisterungsstürme hervorruft. Manch ein Fest- oder Restaurantgast aus dem Mittleren Westen unterschätzt die im Vergleich zum wässrigen US-Leichtgebräu durchschlagende Wirkung der bayerischen Biere dabei deutlich und ist schnell bei inkohärenten Versuchen zu beobachten, trotz mangelnder Sprachkenntnis Hits von Wolfgang Petry oder der Spider Murphy Gang mitzuträllern.

Angesichts dieses überschwänglichen Zuspruchs dürfen deutsche Brauereien, in deren Heimat ausländisches Bier in den vergangenen Jahren an Beliebtheit gewonnen hat, durchaus davon träumen, ihre Präsenz in den USA auszubauen. Denn der Markt befand sich auch schon vor der New Yorker Oktoberfest-Euphorie in Bewegung. Die jahrelang dominante Marke Bud Light der weltgrößten Brauereigruppe Anheuser-Busch Inbev hat ihren Status als meistverkauftes Bier der Vereinigten Staaten in den vergangenen Monaten eingebüßt. Besonders schwer wirkte sich dabei ein Boykott der Bud-Light-Kunden in Reaktion auf eine gemeinsame Promotionstaktik der Marke mit der Transgender-Influencerin Dylan Mulvaney aus.

Neue Nummer eins im Biermarkt der Vereinigten Staaten ist die mexikanische Marke Modelo. Diese wird international zwar ebenfalls von Anheuser-Busch Inbev vertrieben, in den USA hält aus kartellrechtlichen Gründen seit 2013 aber das im Bundesstaat New York ansässige Alkoholkonglomerat Constellation Brands die Lizenzen. Modelo profitiert von einer wachsenden hispanischen Bevölkerung in den Vereinigten Staaten. Dass sie in der Werbung häufig Authentizität und Traditionsbewusstsein in den Mittelpunkt stellt, spricht aber auch Bierfreunde anderer Gruppen an.

Hier könnte für deutsche Anbieter ebenfalls eine Chance liegen. Denn was ist authentischer als gehopftes Malz aus jahrhundertealten Klosterbrauereien? Was spricht so sehr von Tradition wie das deutsche Reinheitsgebot von 1516? Schöne Tradition ist übrigens auch das Maßkrugstemmen auf der Sommerbühne im Central Park geworden, im laufenden Jahr hat es bereits zum 13. Mal stattgefunden. Letztlich hat sich dabei übrigens der Vertreter aus Texas durchgesetzt – er hielt den Liter Bier für beeindruckende 14 Minuten und 52 Sekunden in der Luft.

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