Paris hat seine Superfans
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Paris hat seine Superfans
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Von Gesche Wüpper
Der Himmel ist zu blau, die Metro zu voll, der Präsident zu arrogant. Wenn es einen französischen Nationalsport gibt, dann heißt er „râler“, „meckern“. Denn Franzosen haben eigentlich immer etwas auszusetzen, geben sie selbst zu. Diese Erfahrung mussten auch die Organisatoren der Olympischen Spiele im Vorfeld der Sportgroßveranstaltung machen. Olympia-Bashing war angesagt. Doch seit der spektakulären Eröffnungszeremonie auf der Seine hat sich alles geändert. Die Spiele haben selbst die für ihre mürrische Art bekannten Pariser in ihren Bann gezogen. Einige aus Angst vor Menschenmassen und Anschlägen aus der Stadt Geflüchtete kommen inzwischen sogar freiwillig zurück, um ein wenig an der Stimmung teilzuhaben. Wenn Léon Marchand, Frankreichs neuer Liebling, schwamm, wurden in einigen Familien sogar extra Wecker gestellt, um bloß nicht seinen Auftritt zu verpassen.
„Das ist magisch, was die Fans uns haben erleben lassen“, meint Säbelfechter Sébastien Patrice. Vor allem, weil seine Disziplin nicht gewohnt sei, in Stadien mit vielen Tausenden von Plätzen zu kämpfen, sagt Degenfechter Yannick Borel. Hinter der guten Stimmung steckt jedoch auch eine ausgeklügelte Strategie. „Wir wissen aus Erfahrung, dass es reicht, wenn eine kleine Gruppe die Stimmung anfacht, damit der Rest des Stadions folgt“, erklärt Romain Lachens vom Organisationskomitee Paris2024. „Deshalb haben wir für jeden Wettkampf Fanboxen eingerichtet, die den Ton angeben.“
Dort sitzen die Stimmungsmacher. Rund 1.000 davon haben die Organisatoren mithilfe der Verbände der einzelnen Disziplinen ausgewählt und extra geschult. Fünf bis sechs solcher Superfans sind bei jedem Wettkampf dabei. Bezahlt werden sie zwar nicht, doch sie bekommen Eintrittskarten geschenkt und Trommeln und Megaphone gestellt, damit sie dem Stadion einheizen können. Unterstützt werden sie dabei von dem Publikum, das in ihrer Nähe sitzt. Auch dabei wird nichts dem Zufall überlassen. Das Organisationskomitee hat pro Wettkampf extra 50 bis 100 andere Zuschauer mit Eintrittskarten kontaktiert, ob sie bereit wären, mitzumachen und die Stimmungsmacher zu unterstützen.
Das Rezept geht auf. Zuschauer und Athleten sind begeistert. Wenn vor und zwischen den Wettkämpfen in den Stadien die sorgsam ausgewählte Musik erklingt, singt das Publikum begeistert mit. Bei ihren Playlists setzen die DJs auf den berühmten French Touch, eine Mischung aus französischen Klassikern und aktuellen Hits, von Chansons wie „Que je t’aime“ von Johnny Hallyday und Klassikern wie „Alexandrie, Alexandra“ von Claude François bis zu neueren Titeln wie „Freed from Desire“ von Gala. „Wir haben eine Playlist mit 4.000 Titeln von 900 Künstlern zusammengestellt“, erklärt Leslie Dufaux vom Organisationskomitee. 60% der Künstler oder Titel seien französisch oder hätten einen Bezug zu Frankreich. Welche dann tatsächlich gespielt würden, hänge auch von der Sportart ab.