KommentarMedizintechnik

Philips hat noch einen langen Weg vor sich

Der niederländische Medizintechnikkonzern Philips kommt operativ und bei der Bewältigung juristischer Risiken voran, hat aber in beiden Fällen noch einen langen Weg vor sich.

Philips hat noch einen langen Weg vor sich

Philips

Noch ein
langer Weg

Von Helmut Kipp

Nach vielen Enttäuschungen hat Philips endlich eine angenehme Überraschung präsentiert. Denn das Tagesgeschäft ist im Startquartal 2023 besser gelaufen als erwartet. Und in der juristischen Aufarbeitung des millionenfachen Rückrufs schadhafter Schlaftherapiegeräte gibt es ein erstes Vorankommen. Der Medizintechnikkonzern steht nämlich vor der Beilegung einer Sammelklage, die sich auf wirtschaftliche Verluste von Betroffenen bezieht.

Diese Fortschritte können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Niederländer noch einen langen Weg vor sich haben, und zwar sowohl mit Blick auf die Wiederherstellung der Ertragskraft als auch in der juristischen Abarbeitung des Rückrufs der Geräte zur Behandlung von Atemaussetzern im Schlaf. Die operative Marge ist im ersten Quartal vorangekommen, erreicht aber erst bescheidene 8,6% des Umsatzes. Die Jahresvorgabe siedelt der seit Oktober 2022 amtierende neue CEO Roy Jakobs im hohen einstelligen Prozentbereich an. Das entspricht grob gerade mal der Hälfte des Niveaus, das Vorgänger Frans van Houten einst als mittelfristiges Margenziel für 2025 ausgerufen hatte.

In puncto Sammelklagen steht der mutmaßlich dickste Brocken noch aus. Hierbei geht es um die medizinischen Folgen der schadhaften Geräte, deren zerfallender Polyester-Schaumstoff als möglicherweise krebserregend gilt. Des Weiteren sind Einzelklagen wegen Personenschäden anhängig, und die Untersuchung des US-Justizministeriums dauert an. Zwar kommt Philips anhand eines aufwändigen Test- und Forschungsprogramms zu dem Schluss, dass die Geräteschäden wahrscheinlich nicht zu einer nennenswerten gesundheitlichen Beeinträchtigung von Patienten geführt haben. Das mag die Wahrscheinlichkeit extrem hoher Schadenersatzforderungen verringern, doch nach aller Erfahrung werden sich die Anwälte der Klägerseite davon wenig beeindrucken lassen. Zumal weitere Testergebnisse noch ausstehen. Die Glyphosat-Klagewelle, mit der sich Bayer nach der unseligen Monsanto-Übernahme auseinandersetzen muss, gibt einen Eindruck davon, was auf Philips noch zurollen kann.

Firmenchef Jakobs versucht derweil mit veränderten Abläufen und umfangreichen Stellenstreichungen die Flucht nach vorn. Denn je schneller Philips operativ in Form kommt, desto besser kann der Konzern mögliche juristische Nackenschläge wegstecken. Allein die vor einer Beilegung stehende Sammelklage schlägt jetzt mit 575 Mill. Euro in der Ertragsrechnung durch. Schon das ist für Philips kein Pappenstiel.

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