KommentarÖlpreis

Powerplay am Ölmarkt

Saudi-Arabien und Russland treiben mit zusätzlichen Förderkürzungen den Brent-Ölpreis in Richtung 100 Dollar. Der Westen kann dagegen nichts unternehmen.

Powerplay am Ölmarkt

Ölpreis

Powerplay am Ölmarkt

Von Dieter Kuckelkorn

Erstmals seit Mitte November vergangenen Jahres ist der Brent-Ölpreis am Dienstag über die vielbeachtete Marke von 95 Dollar je Barrel geklettert. Er könnte nun in Kürze über 100 Dollar klettern, wird von vielen Akteuren am Ölmarkt vermutet. Damit hat der Ölmarkt eine beeindruckende Rally innerhalb weniger Monate gesehen, denn Mitte Juni notierte die Sorte bei wenig mehr als 70 Dollar.

Der durchaus dramatisch zu nennende Anstieg ist zum einen das Ergebnis von Illusionen der Marktteilnehmer zur Jahresmitte hin über das (unterschätzte) Ausmaß an Knappheit auf dem Markt. Zum anderen ist er aber ein Ergebnis eines Powerplay zweier Schwergewichte am Ölmarkt, nämlich Saudi-Arabiens und Russlands, die zusätzlich zu den innerhalb des Kartells Opec plus vereinbarten Kürzungen ihr Angebot deutlich zurückgefahren haben. Beide Länder zusammen werden dem Markt mindestens bis Ende des Jahres 1,3 Mill. Barrel pro Tag (bpd) vorenthalten. Dies führt zu einer Unterversorgung des Marktes von 2 oder sogar 3 Mill. bpd. Die fehlenden Ölmengen müssen aus den bestehenden Lagerbeständen vor allem in den Industrieländern kommen, die aber bereits deutlich reduziert worden sind. Insbesondere hatte die US-Regierung aus kurzfristigen politischen Motiven, nämlich für den Wahlsieg in den Kongresswahlen vom vergangenen Herbst, die strategische Reserve regelrecht geplündert und seither nicht nennenswert wieder aufgefüllt.

Saudi-Arabien und Russland sind nach dem Preisverfall von Energieträgern wie Erdöl und Erdgas in der ersten Jahreshälfte darauf angewiesen, wieder mehr Geld in die eigenen Kassen zu spülen. Saudi-Arabien benötigt zum Ausgleich des Staatshaushalts einen Ölpreis von mehr als 80 Dollar. Russland muss den Ukraine-Krieg finanzieren, auch wenn sich die Aufwendungen dafür mit von der US-Regierung und dem IWF geschätzten rund 3% des Bruttoinlandsproduktes in engen Grenzen halten. Daher ist nicht zu erwarten, dass es einen raschen Kurswechsel der beiden Schwergewichte der Opec plus geben wird. Die westlichen Industrieländer können nichts dagegen unternehmen, wie beispielsweise der gescheiterte Versuch der Etablierung eines Preisdeckels für russisches Öl zeigt.

Was die weitere Entwicklung des Ölpreises betrifft, so bremst zwar die schwache Konjunktur in Europa und China den Anstieg. Gleichwohl ist aber zu erwarten, dass der Markt auf neue Nachrichten stark zurückgehender Lagerbestände mit einem Preissprung über die Marke von 100 Dollar reagiert.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.