KommentarBezahlkarte

Prestigeobjekt mit Reputationsrisiko

Wer auch immer die umstrittene Bezahlkarte für Flüchtlinge bereitstellen wird, erhält nicht nur einen lukrativen Auftrag, sondern wird auch mit Vorwürfen leben müssen.

Prestigeobjekt mit Reputationsrisiko

Bezahlkarte

Prestigeobjekt mit Reputationsrisiko

Von Jan Schrader

Kaum ein Thema polarisiert so stark wie der Umgang mit Asylbewerbern in Deutschland – kein Wunder, dass auch die geplante Bezahlkarte umstritten ist. Um Leistungen an Flüchtlinge auszureichen, soll die Karte als Alternative neben Bargeld rücken. Die Bundesregierung erklärt, auf diese Weise Zahlungen an Schlepper und Überweisungen in das Herkunftsland zu unterbinden. Auch hoffen Befürworter darauf, dass nun ein möglicher Anreiz für irreguläre Migration wegfällt. Gegner sehen indes die Autonomie der Betroffenen in Gefahr, etwa wenn Geflüchtete bislang Familienmitglieder in der ehemaligen Heimat finanziell unterstützen und daran nun gehindert werden. Auch fürchten sie eine Stigmatisierung, wenn Betroffene die Karte im Laden zücken.

Doch von der hitzigen Debatte lassen sich einige Firmen nicht abschrecken: Die Verantwortung für ein deutschlandweites Projekt ist für sie nicht nur finanziell reizvoll, sondern auch prestigeträchtig. In Bayern empfehlen sich die Fintechs Givve und Paycenter als Anbieter von Bezahlkarten. Auch streiten sich namentlich bislang unbekannte Anbieter in einem bundesweiten Vergabeverfahren, das nun nach einer Beschwerde einer unterlegenen Partei an das Oberlandesgericht in Karlsruhe getragen wird.

„Bild“ sieht „Paukenschlag“

Die Verzögerung führt bereits zu Unmut. „Bild“ spricht von einem „Paukenschlag“, die Verzögerung komme zum „absolut schlechtesten Zeitpunkt“. So kommt die Karte nicht mehr vor der Landtagswahl in Brandenburg am 22. September, wo Migration ein Reizthema ist und die rechtsextreme AfD ähnlich wie in Sachsen und Thüringen stärkste Kraft werden könnte. Das Oberlandesgericht wird sich aber aus gutem Grund nicht vom Wahlkalender treiben lassen. Erst die anstehende Verhandlung wird zeigen, ob die Beschwerde begründet ist.

Doch wer auch immer die Karte verantworten wird: In der aufgeheizten Debatte wird das Unternehmen mit dem Vorwurf leben müssen, eine Einschränkung der Autonomie von Asylbewerbern zu ermöglichen. Und so geht das Prestigeprojekt mit einem Reputationsrisiko einher.

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