Private Equity fliegt auf Software
Private Equity fliegt auf Software
Finanzinvestoren haben sich zur treibenden M&A-Kraft der IT-Welt entwickelt. Sie ordnen mit ihren Deals die Branche neu – auch in Deutschland.
Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt
Private-Equity-Firmen beginnen das Jahr 2024 mit einem Rekordwert von 2,59 Bill. Dollar an noch nicht investierten Kapitalzusagen ihrer Investoren – im Fachjargon „Dry Powder“ genannt. Angesichts der beispiellosen geopolitischen Ungewissheit ist eine Vorhersage darüber, ob M&A-Deals in diesem Jahr ein Comeback erleben, wohl kaum zu treffen. Nach einem Jahr, in dem die Zahl der Fusionen und Übernahmen zum ersten Mal im zurückliegenden Jahrzehnt unter die Marke von 3 Bill. Dollar gesunken ist, gibt es nur einige ermutigende Anzeichen dafür, dass die Zahl der Transaktionen im Jahr 2024 wieder steigen wird. Allerdings können sich Finanzinvestoren nicht mehr darauf verlassen, ihre Renditen nur mit billig geliehenem Geld aufzupumpen, sondern müssen sich auf ihre Wurzeln besinnen, indem sie gute Deals einfädeln und operative Verbesserungen vornehmen.
91 Take Privates
Das gilt vor allem für Private-Equity-Beteiligungen an Softwareunternehmen. Das wieder anziehende M&A-Geschehen wird in der Softwarebranche von Finanzinvestoren dominiert: „Von 3.000 Software-Deals im Jahr 2023 waren 1.500 Private-Equity-Deals“, schreiben die Banker der Bostoner Tech-Investmentboutique AGC Partners in ihrem Jahresreport. „Tech-Private-Equity-Firmen haben in den vergangenen drei Jahren 91 gelistete Softwareunternehmen mit einem Gesamtwert von 300 Mrd. Dollar von der Börse genommen, und jetzt gibt es nur noch 150 börsennotierte Softwarefirmen.“
So konkurriert gerade Bain Capital, die bei der Software AG in Darmstadt und bei Software One in der Schweiz abgeblitzt ist, gegen den Rivalen Hellman & Friedman um die Übernahme von Docusign, einem Anbieter von Online-Signaturdiensten mit einem Marktwert von rund 12,5 Mrd. Dollar. Die beiden Private-Equity-Firmen gehören zu den letzten Bietern in der Auktion für DocuSign, deren Übernahme einer der größten Buyouts des Jahres 2024 werden könnte.
Spezialisten tummeln sich
In Deutschland tummeln sich als spezialisierte Software-Finanzinvestoren unter anderem Thoma Bravo, PSG Equity, und Main Capital. Schon im vergangenen Jahr dominierte Software hierzulande das Buy-out-Geschehen: Die Software AG aus Darmstadt wurde von Silver Lake filetiert, während die ausschließlich mit Eigenkapital agierende Thoma Bravo den gelisteten Münchener Compliance-Spezialisten EQS AG übernahm und EQT den Linux-Anbieter Suse von der Börse zurückkaufte.
Etwas weniger stark öffentlich beachtet waren die Growth Investments: Der US-Wachstumsinvestor PSG Equity steckte im vergangenen Jahr 100 Mill. Euro in Sport Alliance, ein Softwareunternehmen der Fitnessbranche mit Sitz in Hamburg. Der israelische Venture-Capital-Investor Pitango investierte als Lead-Investor in eine 100 Mill. Euro schwere Finanzierungsrunde für das Berliner Healthtech-Start-up Patient21. Der Assetmanager-Riese Blackrock platzierte 30 Mill. Euro beim Berliner Fintech Upvest.
„Wachsende Möglichkeiten“
Software-Investor PSG hat gerade seinen zweiten europäischen Fonds mit über 2,6 Mrd. Euro abgeschlossen. „Daraus soll auch in Deutschland weiter investiert werden“, sagt der für Deutschland zuständige Managing Director Christian Stein. „Deutschland bietet wachsende Investitionsmöglichkeiten bei Softwarelösungen, die für die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft gebraucht werden. Wir sehen erhebliche Investitionschancen, da Unternehmen aller Größen und in allen Wirtschaftsbereichen zunehmend Digitalisierungs- und Automatisierungstools einsetzen, um ihren Kundenservice zu verbessern, die Produktivität zu steigern und ihre Betriebsabläufe zu sichern.“ PSG sehe Deutschland als einen „Kernmarkt“ an und hat hier neben Sport Alliance drei weitere Plattform-Investments getätigt - in den Cloud-Security-Anbieter Hornetsecurity, die Abrechnungssoftware Billwerk+ und den Friedhofs-Softwarespezialisten Rapid Data.
Bei Software-Deals zählt nicht unbedingt die Größe. Der etwas kleinere PSG-Rivale, die niederländische Main Capital, ist zwar mit einem verwalteten Volumen von 2,2 Mrd. Euro die kleinste der drei auf Software spezialisierten Private-Equity-Firmen, die in Deutschland besonders aktiv sind. Es ist aber zugleich die aktivste.
Nach dem Report zu Private-Equity-Tech-Deals der Bostoner Investmentboutique AGC Partners ist Main Capital die Nummer 4 weltweit bei der Anzahl der Tech- und Software-Deals im vergangenen Jahr. Über die vergangenen fünf Jahre sind die Niederländer, die in Deutschland über ein Büro in Düsseldorf verfügen, die Nummer 3 und PSG Equity ist die Nummer 4. Unangefochtene Nummer 1 war Main Capital indes bei den Exits: Unter anderem wurde die Mehrheit der Anteile an der deutschen Softwarefirma GBTEC an den US-Private-Equity-Riesen Carlyle verkauft. Das Unternehmen aus Bochum wurde bei dem Deal mit einem Betrag in der Größenordnung von 200 Mill. Euro bewertet.
Buy and Build-Ansatz
Mit Add-on-Akquisitionen baut Main Capital gerade den Bankensoftwarespezialisten Foconis aus: „Wir haben unter dem Dach von Foconis jetzt eine Trading-Plattform, eine Payment-Plattform und ein Datenanalyse-Instrument für die Compliance zusammengefügt", sagt der für das Deutschlandgeschäft verantwortliche Managing Partner Sven van Berge. „Dadurch entsteht ein One-Stop Shop für Banken rundum ein Core-Banking-System – was Foconis nicht anbietet.“ Zu den Kunden zählen unter anderem Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken, aber auch einige Großbanken.
Main Capital ist fokussiert auf Softwarefirmen, die profitabel wachsen. „Wir versuchen dabei, die Balance zu wahren zwischen Wachstum, Kundenzufriedenheit und der Zufriedenheit unserer Mitarbeiter“, sagt van Berge. „Attraktiv an Softwarefirmen sind die Recurring Revenues. Wenn der Umsatz besser vorhersagbar ist, kann man auch besser Investitionen planen. Deutschland hinkt zwar bei der Cloud-Adoption hinterher. Aber das Geschäft damit wächst hierzulande am schnellsten in ganz Europa.“
Rekordhohe Kapitalspritze
Darüber hinaus hat im November die rekordhohe Kapitalspritze von 463 Mill. Euro in das Künstliche-Intelligenz-Start-up Aleph Alpha, an dem sich auch die Firma Schwarz Digits des Lidl-Gründers Dieter Schwarz maßgeblich beteiligte, den KI-Hype zusätzlich angeheizt. „KI hat einen Effekt auf alle anderen Software-Bereiche“, sagt van Berge. „Man muss sich überlegen, wie KI in die eigene Software integriert werden kann.“