Finanzinvestoren

Private Equity gibt die Schlüssel ab

Hoch verschuldete Unternehmen aus dem Besitz von Finanzinvestoren wie Goldman Sachs Private Equity, Apax oder Bain Capital wechseln derzeit immer öfter in die Hand der Private-Debt-Kreditgeber. Beispiele dafür sind der Tintenhersteller Flint Group, der Modediscounter Takko Fashion oder der Aufzugsteilehersteller Wittur.

Private Equity gibt die Schlüssel ab

Private Equity gibt die Schlüssel ab

Hoch verschuldete Unternehmen aus dem Besitz von Finanzinvestoren wechseln derzeit immer öfter in die Hand der Private-Debt-Kreditgeber

Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt

In den meisten deutschen Kleinstädten gibt es Takko Fashion. Die Läden des Modediscounters aus Telgte, der insgesamt 2.000 Filialen in 17 Ländern Europas betreibt, sind über das ganze Land verteilt. Das hoch verschuldete Unternehmen hat es nicht leicht gehabt in den vergangenen Jahren. Erst war es nur der Aufholbedarf im Online-Handel, dann kam auch noch die Pandemie mit den Lockdowns samt Energiekostenexplosion wegen des Ukraine-Kriegs dazu. Inzwischen ist der Umsatz zwar wieder auf 17% über dem Niveau vor der Pandemie gestiegen, aber die Schulden sind dem Unternehmen über den Kopf ge-wachsen.

Die Firmengruppe einigte sich deshalb kürzlich mit ihrem Gesellschafter, dem Finanzinvestor Apax, sowie ihren Anleihegläubigern und Banken über den Abbau von Verbindlichkeiten und eine neue Kapitalstruktur. Nun gehört das Unternehmen mehrheitlich drei Gläubigern – nämlich Silver Point Capital, Albacore und Napier Park, wie aus Finanzkreisen berichtet wird. Die Schuldenlast sei um mehr als 250 Mill. Euro reduziert und die Kreditlaufzeiten des Unternehmens bis 2026 verlängert worden, hieß es in einer Aussendung. Jetzt fangen die neuen Eigentümer auch mit dem Umbau des Managements an: In der vergangenen Woche gab Takko die Ernennung von Stephan Hungeling als neuem Chief Financial Officer bekannt. Der ehemalige Geschäftsführer des Juwelierkonzerns Christ übernimmt die Rolle als Takko-CFO ab dem 1. September 2023. Er will nach eigenen Angaben auch die digitale Transformation vorantreiben und folgt auf Kurt Rosen, der das Unternehmen „nach erfolgreicher Transaktion zur Neuausrichtung der Kapitalstruktur in bestem Einvernehmen“ verlässt, wie es hieß. 

Takko ist kein Einzelfall. Hoch verschuldete deutsche Unternehmen aus den Portfolios der Private-Equity-Firmen bekommen jetzt wegen der wachsenden Zinslast, die sie in einigen Fällen nicht mehr tragen können, immer öfter neue Eigentümer. Sie wechseln zu einem oder mehreren Gläubigern als neue Besitzer, die oft ebenfalls Finanzinvestoren sind: Der Aufzugsteilehersteller Wittur gehörte bisher dem Finanzinvestor Bain Capital und bekommt jetzt KKR Private Credit als neuen Eigentümer. Schon vorher gehörte die Firma ebenfalls Finanzinvestoren: Vor Bain war es Triton und davor Goldman Sachs. Die vorgeschlagene Umschuldung sieht laut Ratingagentur S&P vor, dass „ein Teil des erstrangigen Darlehens in Höhe von 565 Mill. Euro auf der Ebene der operativen Gruppe wieder eingesetzt wird“.

Auch der Druckereizulieferer Flint war bisher ein „On balance sheet“-Investment der Bank Goldman Sachs, die die Firma von einem Fonds der hauseigenen Private-Equity-Sparte übernommen hatte, und wechselt jetzt in die Hand der Gläubiger. Ein weiteres Beispiel: Der Debt Fund Ardian steht kurz davor, den Pflegeheimbetreiber Emvia Living zu übernehmen.

Takko, Wittur, Emvia und Flint Group werden wohl auch nicht die letzten Kreditausfälle gewesen sein, die zu Eigentümerwechseln führen. Die Liste der deutschen Unternehmen, die bei Moody´s eine Bonitätsnote von „B3“ oder schlechter haben und somit als gefährdet gelten, umfasst 37 Firmen. Darunter finden sich viele Namen bekannter Unternehmen, die Finanzinvestoren gehören. Beispiele sind die Parfümeriekette Douglas (CVC), der Parkhausbetreiber Apcoa (Centerbridge) oder der Kabelnetzbetreiber Tele Columbus (Morgan Stanley).

„Die Entwicklung rührt vor allem daher, dass die Fremdfinanzierung bei den ursprünglichen Investitionen dieser Private-Equity-Fonds nicht durch klassische Banken als Senior Lender, sondern durch Debt- Fonds erfolgte“, sagt Julian Lemor, Corporate-Partner bei der Kanzlei Noerr in Frankfurt. „Das war die letzten Jahre ein Trend, insbesondere auch deswegen, weil Debt-Fonds eher bereit waren, solche Transaktionen zu finanzieren, die von Banken als schwierig oder risikoreich angesehen wurden.“ Diese Debt-Fonds übernähmen jetzt im Rahmen der Restrukturierung die Anteile an den finanzierten Zielgesellschaften. „Neu ist das nicht, es gab solche Fälle auch schon früher – nur jetzt sieht man aufgrund der häufigen Finanzierungen durch Debt-Fonds deutlich mehr davon“, ordnet Lemor ein.

Das Problem: Die Private-Debt-Fonds sind von ihrer Mannschaftsstärke und sonstigen Infrastruktur gar nicht darauf ausgerichtet, Unternehmen operativ zu kontrollieren und zu führen. Sie werden damit in einigen Fällen voraussichtlich überfordert sein.

Oft werden die Gläubiger auch von den Liquiditätsschwierigkeiten ihrer Schuldner überrascht. Denn anders als in der Vergangenheit fehlen die frühen Alarmzeichen. Es wurden während der Nullzins-Ära kaum noch schützende „Covenants“ vereinbart – zusätzliche Vertragsklauseln oder Nebenabreden in Kredit- und Anleiheverträgen mit Unternehmen. Mit solchen Vereinbarungen werden den Kreditnehmern bestimmte Verpflichtungen auferlegt. Dazu zählen zum Beispiel die Zustimmungspflicht des Kreditgebers, wenn das Unternehmen wesentliche Vermögensteile verkaufen möchte, sowie „Information Covenants“ (Verpflichtung zur regelmäßigen Information, etwa Quartalsberichte) und „Financial Covenants“ (Verpflichtung zur Einhaltung festgelegter finanzieller Anforderungen, etwa die maximale Verschuldung gemessen an der Leverage Ratio – Nettoverschuldungsgrad).

Die Eigentümerwechsel in den Private-Equity-Portfolios folgen meist auf Defaults – und die gibt es immer wieder mal, wenngleich von einer Welle keine Rede sein kann, weil die größeren Rückzahlungstermine erst im kommenden Jahr anstehen. Das zeigt der jüngste Default-Report vom Moody´s: „Neun von uns bewertete Unternehmensemittenten fielen im Juli aus, gegenüber 14 im Juni und 21 im Mai“, beschreibt Analystin Sharon Ou den Trend. „Die Zahl der Zahlungsausfälle im Juli ist die zweitniedrigste in diesem Jahr, nachdem im Januar sechs Ausfälle zu verzeichnen waren. Die höchste Ausfallquote gab es im Mai.“

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