Lufthansa

Privilegien oder Perspektiven

Die Lufthansa teilte mit, entgegen früheren Ankündigungen im Frühjahr keine Piloten entlassen zu wollen. Auf dem vermeintlichen Etappensieg ausruhen können sich beide Seiten nicht.

Privilegien oder Perspektiven

Den Piloten der Lufthansa muss es am Freitag vorgekommen sein wie ein kleines Wunder. Die Fluggesellschaft teilte mit, entgegen früheren Ankündigungen im Frühjahr keine Flugzeugführer entlassen zu wollen. Noch am Tag davor war man bei den Verhandlungen zu diversen Tarifthemen ohne Einigung­ auseinandergegangen. „Unser aller Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt“, kommentierte ein Sprecher der Vereinigung Cockpit nun in einem Podcast der Gewerkschaft. Tatsächlich handelt es sich bei dem kleinen Wunder allerdings nur um einen Etappensieg für die Piloten, den zudem nicht sie errungen haben. Grund für die veränderte Planung der Lufthansa ist vielmehr die erholte Nachfrage nach Flugreisen, die zu einem größeren Bedarf an Cockpit-Crews führt.

Auf dem vermeintlichen Etappensieg ausruhen können sich beide Seiten nicht. Schon in der laufenden Woche findet eine mehrtägige Klausurtagung der Tarifparteien statt. Gefunden werden muss noch eine Lösung für das Cockpit-Personal bei Germanwings und Lufthansa Aviation Training. Zudem schwelt immer der Konflikt um die Zukunft des Kurzstreckengeschäfts im Konzern mit. In diesem Segment konkurriert der deutsche Marktführer mit Unternehmen wie Ryanair oder Wizz Air, die mit deutlich niedrigeren Kosten unterwegs sind. Die Gewerkschaft selbst ist sich bewusst, dass es hier um eine Entscheidung geht zwischen Privilegien und Perspektiven. Versucht man, den aktuellen Piloten möglichst viele ihrer Privilegien zu sichern, auf die Gefahr hin, dass die Konzernleitung das Geschäft mehr und mehr schrumpft, weil nicht profitabel gewirtschaftet werden kann? Oder lässt man sich auf Zugeständnisse ein – die Rede ist von Kostensenkungen um 20 bis 30% –, um dem Geschäftsfeld und damit den Cockpit-Besatzungen langfristig eine Wachstumsperspektive zu bieten?

Kommt es zu keiner Einigung zwischen Lufthansa und Piloten, steht  zudem   ein  weiteres  für die Flugzeugführer bedrohliches Sze­nario im Raum. Die Fluggesellschaft könnte über kurz oder lang das Kurzstreckengeschäft an eine neue Betreibergesellschaft auslagern, für die günstigere Tarifstrukturen vorgesehen wären, und im Gegenzug das bestehende Lufthansa-Geschäft in diesem Segment schrumpfen. Diese schmerzhafte Erfahrung würde die Gewerkschaft nicht zum ersten Mal machen. Zuletzt hatte Lufthansa den Ableger Eurowings Discover aus der Taufe gehoben – für das touristische Langstreckengeschäft aus den Drehkreuzen heraus. Dort sind Neueinstellungen zu schlechteren Tarifkonditionen ausgeschrieben.

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