Warnsignale am Horizont
Siemens
Warnsignale
am Horizont
Von Michael Flämig
Es sind unsichere Zeiten für die Industrie. Sie braucht stabile Rahmenbedingungen der Politik.
Siemens strahlt auf den ersten Blick Stabilität aus. Im angelaufenen Geschäftsjahr soll der Umsatz auf vergleichbarer Basis solide zulegen, die Marge der Kerngeschäfte dürfte der Prognose zufolge in etwa unverändert bleiben und das Ergebnis pro Aktie in der Summe steigen. Das Ganze wird garniert von einem Aktienkurs, der am Tag der Jahrespressekonferenz zeitweise um 9% in die Höhe sprang.
Vorstandsvorsitzender Roland Busch warnt dennoch vor einem Stillstand in Deutschland. Politik und auch Unternehmen müssten ihre Hausaufgaben machen. Man kann dies als Banalität einstufen oder als ein Pro-domo-Statement. Dies allerdings wäre falsch. Denn selbst der Multi Siemens beginnt zu spüren, dass die Transformation in Deutschland und der Welt keineswegs rund läuft.
Dafür gibt es ganz offensichtliche Signale. Dass Siemens zwischen 1.000 und 5.000 Beschäftigte in der Kernsparte Digital Industries abbauen will, gehört in diese Kategorie. Nun könnte man, wie Busch dies getan hat, angesichts der Gesamt-Beschäftigtenzahl des Global Players davon sprechen, dass dies kein großes Ereignis sei. Dies wäre allerdings in vielerlei Hinsicht fehl am Platz. Vor allem ist es eine Trendwende. Siemens baut zwar immer um, aber seit Jahren nicht mehr in diesem Ausmaß. Dies ist also ein Warnsignal.
Gefahr von Fehlallokationen
Weniger offensichtlich für die Volatilität in der Welt sind andere Entwicklungen im Konzern. Ein Beispiel: Die Zahlen 15 bis 19% und −6 bis +1%. Dies sind das Margenziel und die geplante Umsatzveränderung, die der Vorstand der Sparte Digital Industries für die laufende Periode gesetzt hat. Die Spannen sind nicht nur vergleichsweise niedrig, weil die Fabrikautomatisierung in China und auch in der Exportnation Deutschland schwächelt, sondern vor allem extrem weit gefasst. Dafür gibt es einen einfachen Grund: eine große Unsicherheit, wie die wirtschaftliche Entwicklung weitergeht. Die Welt wird zunehmend unkalkulierbarer, und es ist fraglich, ob Regierungen weiterhin in den Geldtopf langen können, um die Konjunktur anzukurbeln.
Einerseits gehört die Zähmung von Volatilität zur Kunst der Unternehmensführung, sonst könnte ja jeder an der Firmenspitze stehen. Andererseits tut zu viel Instabilität der Wirtschaft nicht gut, einfach weil zu viele Fehlallokationen geschehen. Die Transformation muss hinhauen, beispielsweise wenn Siemens 10 Mrd. Dollar in eine US-Softwarefirma investiert, deren Namen selbst wirtschaftlich interessierte Zeitgenossen noch nie gehört haben. Die Politik sollte daher wirtschaftliche Rahmenbedingungen stabilisieren, um dazu beizutragen, dass deutsche Konzerne stabil bleiben.