Rapper Ye findet ein Bett im Kornfeld
Notiert in Schanghai
Rapper Ye findet ein Bett im Kornfeld
Von Norbert Hellmann
Zum jüngsten Konzertauftritt des nicht gerade kontroversenarmen US-Rappers Ye (Kanye West) mag man sich verwundert die Augen reiben. Er hat nämlich ausgerechnet in China stattgefunden. Wie in aller Welt schafft es ein selbst nach westlichen Standards schockierend auffallender Entertainer, mit dem Segen der Kommunistischen Partei auf ein chinesisches Publikum losgelassen zu werden? Die Liste der Ye-Kontroversen ist lang und reicht von der Ehe mit der TV-Diva Kim Kardashian über die Freundschaft mit Donald Trump bis zu antisemitischen Parolen. Letztere nötigten den Adidas-Konzern dazu, die mit Ye verbundene megaerfolgreiche Designer-Sneaker-Kollektion verlustreich einzustampfen.
Besondere Trumpfkarte
Im Minenfeld der China-US-Beziehungen ist es seit Jahren keiner amerikanischen Musikgröße mehr gelungen, eine Welttournee mit einem Konzertauftritt auf dem chinesischen Festland abzurunden und damit auch mächtig Kohle zu machen. Ye freilich hat besondere Trumpfkarten im Ärmel. Nicht nur ist er bei der US-Regierung Persona non grata, sondern er hat auch im Kindesalter ein Jahr in Nanjing gelebt, als seine Mutter dort beruflich tätig war. Das sorgt allemal für großzügigen Sympathievorschuss.
Einträgliches Geschäft
Ye ist nach Haikou, der Hauptstadt der als Sonnen- und Ferieninsel bekannten Provinz Hainan, geladen worden, um die große Show zu schmeißen. Sie scheint sich für alle Beteiligten gelohnt zu haben. Aus dem Ticketverkauf wurden 7,3 Mill. Dollar eingespielt. Bei fünf diesjährigen Konzerten in den USA und Europa kam Ye im Durchschnitt auf 2,4 Mill. Dollar pro Show. Der konjunkturgeschwächten Provinz Hainan galt es ein konsumträchtiges Glamour-Event zu verpassen. Die aus dem ganzen Land angereisten Konzerttouristen haben Einnahmen über 373 Mill. Yuan (48 Mill. Euro) generiert, verkündet die Lokalregierung stolz.
Taifun kein Problem
Für Chaos im Vorfeld hatte weniger Ye als der Super-Taifun „Yagi“ gesorgt. Er fegte wenige Tage vor dem Konzert durch Hainan und riss das Dach des Wuyuanhe-Stadiums in Haikou mit sich. Überall sonst auf der Welt wäre die Chose damit wohl ins Wasser gefallen, aber in China kann auch ein komplettes Stadion ruckzuck neu überdacht werden. Darunter ließ sich im Bühnendekor eines golden schimmernden Fake-Weizenfelds das Publikum im Sturm erobern.
Züchtige Entourage
Der im Vergleich zu Naturgewalten noch größer erscheinender Risikofaktor, nämlich Yes Umgang mit Etiketteregeln, blieb harmlos. Das Publikum wurde artig mit „Haikou, I love you“ begrüßt. Getragen hat er einen Hoodie mit chinesischen Schriftzeichen ohne anstößige Botschaft. Selbst die Damenentourage gab sich keine Blöße. Ehefrau Bianca Censori und Ex Kardashian waren vor Ort. Beide zeigen notorisch gerne Rundungen, brachten Chinas Medienzensur aber nicht ansatzweise in Verlegenheit. Zur kommerziellen Abrundung ist nun ein besonderes Souvenir erhältlich. Im Onlinehandel wird ein Bund plattgetretener Plastik-Weizenstängel aus der Show für 300 Yuan (knapp 40 Euro) feilgeboten.