KommentarEnergiewende

Realitätscheck nicht bestanden

Der EU-Rechnungshof schlägt Alarm zu den Wasserstoffzielen. Die deutsche Industrie sollte sich nicht zu sehr darauf verlassen, dass der Zeitplan für 20 Millionen Tonnen bis 2030 eingehalten werden kann.

Realitätscheck nicht bestanden

Wasserstoff

Realitätscheck nicht bestanden

Von Christoph Ruhkamp

Europas Green Deal steht auf dem Prüfstand. Viele Wähler haben ihrer Abneigung gegen die teure Energiewende mit ihrem Votum bereits Ausdruck verliehen. In Deutschland hat das Abdrehen des Gashahns durch den Kreml im Ukraine-Krieg die heimische Industrie bereits hart getroffen. Gas ist wieder verfügbar, aber viel teurer als vorher. Jetzt kommt der nächste Schritt. Gas soll in Kraftwerken, Hochöfen und Fahrzeugantrieben durch Wasserstoff ersetzt werden. Auch das macht vieles teurer – aber es ist notwendig, um dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen.

Die Kosten sind indes nicht allein das Problem. Die deutsche Industrie sollte sich auch nicht allzu sehr darauf verlassen, dass die EU-Ziele für den Wasserstoffhochlauf überhaupt so schnell erreicht werden wie angepeilt. Der EU-Rechnungshof schlägt jetzt Alarm. Laut Ausgabenaufsichtsbehörde sind die Pläne „übermäßig ehrgeizig“. Das wäre gefährlich für Abnehmer wie auch Produzenten. Thyssenkrupp beispielsweise ist beides: Die Stahlsparte braucht Wasserstoff für die neue Direktreduktionsanlage, und die Tochter Thyssenkrupp Nucera produziert Elektrolyseure, mit denen unter Einsatz erneuerbarer Energien Wasserstoff hergestellt wird. Zugleich stellt sich für alle das „Henne-Ei-Problem“, dass das Angebot von der Nachfrage abhängt und umgekehrt.

Die 27 EU-Mitgliedstaaten haben grünen Wasserstoff in den Mittelpunkt der Dekarbonisierung der Wirtschaft gestellt, insbesondere der Schwerindustrie. Dem Bericht des Rechnungshofs zufolge ist es jedoch unwahrscheinlich, dass die EU ihr Ziel erreichen wird, bis zum Ende des Jahrzehnts einen Markt von 20 Millionen Tonnen zu schaffen, der sich zu gleichen Teilen aus lokaler Produktion und Importen zusammensetzt. Den Prüfern zufolge wird die Nachfrage bis zum Ende des Jahrzehnts nicht einmal die Hälfte der von der EU angestrebten 20 Millionen Tonnen erreichen. Im Jahr 2022 hat Wasserstoff weniger als 2% des Energieverbrauchs in Europa ausgemacht, und der größte Teil der Nachfrage stammt auch noch aus Raffinerien, die damit Rohöl veredeln.

Glaubt man dem Rechnungshof, dann beruht der aktuelle Wasserstoffplan nicht auf solider Analyse, sondern auf politischem Willen. Die Finanzmittel in Höhe von fast 20 Mrd. Euro bis 2027 sind auf verschiedene Programme verteilt. Das erschwert den Unternehmen den Zugang. Schon jetzt verteilt sich das Geld nach dem Gießkannenprinzip auf 254 Projekte. Aktuell fallen die Pläne der EU-Industriepolitik für grünen Wasserstoff beim Realitätscheck durch.

Der EU-Rechnungshof schlägt Alarm wegen der Wasserstoffziele. Die deutsche Industrie sollte sich nicht zu sehr darauf verlassen.

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