London

Rebellion impossible

Wieder geht Extinction Rebellion den Bewohnern der britischen Metropole zwei Wochen lang mit apokalyptischen Fantasien, Flötentönen und Getrommel auf die Nerven. Doch die Aktivisten werden weniger.

Rebellion impossible

Extinction Rebellion (XR) ist wieder da. Wieder gehen schrill kostümierte Uniabsolventen den Bewohnern der britischen Metropole zwei Wochen lang mit apokalyptischen Fantasien, Flötentönen und Ge­trommel auf die Nerven. Doch es sind deutlich weniger geworden, darüber konnte auch die wohlwollende Berichterstattung von BBC London nicht hinwegtäuschen. „Impossible Rebellion“ lautete das Motto der mehrtägigen Nabelschau des gehobenen Mittelstands. Prominente wie die Schauspielerin Emma Thompson, die zuvor eigens für XR aus LA einflog, blieben den rituellen Protesten fern. Doch kann auch eine kleine Minderheit für erhebliche Behinderungen sorgen, etwa dadurch, dass sie einen Bus auf der London Bridge platziert. Dort kamen auch Schlagstöcke zum Einsatz. Doch wie schon bei vorangegangenen Aktionswochen der Weltuntergangssekte belässt es die Londoner Polizei in der Regel dabei, herumzustehen, schließlich erteilte der Supreme Court den XR-Aktivisten in einem Urteil zu früheren Protesten eine Carte blanche. Immerhin schützt die Präsenz der Ordnungshüter die Teilnehmer vor dem Zorn von arbeitenden Menschen, deren Tagesplanung von ihnen über den Haufen geworfen wird.

Worum es den Teilnehmern der Proteste geht, wird für Außenstehende schwer ersichtlich, wenn so unterschiedliche Ziele wie das ­Science Museum, der World Wildlife Fund (WWF) und die europäische Molkereigenossenschaft Arla Foods aufs Korn genommen werden. Werden Aktivisten interviewt, geht es zumeist um individuelle Befindlichkeiten, die eigene Verantwortung, der man gerecht werden wolle, etc. Erst wenn man die Verlautbarungen zu den Aktionen liest, wird klar, dass dahinter oft ein geschlossenes Weltbild steht.

Das Science Museum fiel in Ungnade, weil es Shell als finanziellen Unterstützer der Ausstellung „Our Future Planet“ akzeptierte. Wer für die reine Lehre eintritt, hat für moderne Formen des Ablasshandels eben kein Verständnis. Es sei inakzeptabel, wenn eine so großartige kulturelle Institution das „schmutzige Geld“ einer Ölgesellschaft annehme, sagte Charlie Gardner, Dozent an der University of Kent und Mitglied von „Scientists for Extinction Rebellion“. Die Branche habe eine „antiwissenschaftliche Agenda“. Denn wissenschaftlich, man ahnt es schon, ist nur das, was XR so nennt. Es ist nicht das erste Mal, dass die Gruppierung ein weiches Ziel ins Visier genommen hat. Die Royal Shakespeare Company trennte sich 2019 nach wütenden Protesten vom Sponsor BP, der Tickets für Jugendliche subventioniert hatte. Dem WWF, dessen Zentrale in Woking gestürmt wurde, wirft „XR Youth Solidarity“ Menschenrechtsverletzungen und die Vertreibung von Angehörigen indigener Völker vor. Es geht dabei übrigens um Ranger, die der Wilderei in Nationalparks Einhalt ge­bieten sollen. Wer mehr darüber wissen will, findet auf der Website von XR ein Stück über die „rassis­tischen und neokolonialistischen Wurzeln des Naturschutzes“, in dem unter anderem darüber geklagt wird, dass „die Betonung rationaler Fakten und ein stark verwestlichtes Wissenschaftskonzept indigenes und traditionelles Wissen und Jahrtausende der Erfahrung syste­matisch ausschließen“. Dessen ungeachtet sind die Anhänger von XR gerne bereit, ausgefeilten Computermodellen zur Erderwärmung Glauben zu schenken, die nicht von Schamanen oder Druiden stammen.

Von Arla verlangt die XR-Schwesterorganisation Animal Rebellion, die Produktion bis 2025 auf pflanzliche Erzeugnisse umzustellen. Das sei unvermeidlich, wenn man dem Klimanotstand ernsthaft begegnen wolle. Schließlich sei das Treibhausgas Methan in erster Linie ein Nebenprodukt der Massentierhaltung. Was spielt es da noch für eine Rolle, dass sich Arla dazu verpflichtet hat, Milchprodukte so nachhaltig wie möglich herzustellen, und ihre Emissionen bis 2050 auf null herunterfahren will? Die Aktivisten blockierten die Zufahrt zum Arla-Vertriebszentrum in Aylesbury mit Barrikaden aus Bambus und Beton.

Immerhin klebten sich dieses Jahr noch keine XR-Anhänger an Nahverkehrszüge, um den Lon­doner Berufsverkehr zum Erliegen zu bringen. Vielleicht lernen ja selbst sie aus den Fehlern der Vergangenheit.