LeitartikelUS-Banken

Regulierungsflut gefährdet Finanzstabilität

Amerikas Großbanken verbreiten Konjunkturoptimismus, müssen sich aber mit einer historischen Fülle an Neuregulierungen herumschlagen. Dass sie deren Tragweite zu unterschätzen drohen, birgt systemische Gefahren.

Regulierungsflut gefährdet Finanzstabilität

US-Banken

Gefährliche Regulierungsflut

US-Banken und ihre Aufsichtsbehörden drohen die Folgen einer Fülle an Neuregelungen im Sektor dramatisch zu unterschätzen.

Von Alex Wehnert

Amerikas Großbanken verbreiten in der Berichtssaison großen Optimismus für Konjunktur und Kapitalmärkte. Dabei drohen große Gefahren für die Stabilität des Sektors aus dem Fokus zu geraten. Denn die Vorstände der Wall-Street-Häuser mögen in ihrer Kommunikation das starke Abschneiden ihrer Investmentbanker bejubeln oder die Widerstandsfähigkeit ihres Privatkundengeschäfts in einem von verschärftem Depositenwettbewerb und sinkender Zinsmargen hervorheben. Damit blenden sie aber nicht nur aus, dass im Consumer Banking angesichts steigender Zahlungsausfälle im Kartengeschäft noch erhebliche Risiken drohen. Sie lassen auch unter den Tisch fallen, dass die Risiken einer Flut an Neuregulierungen, die auf den Sektor zurollt, nicht gebannt sind.

Assets fließen in intransparente Ecke

Die langfristigen Konsequenzen dürften in ihrem ganzen Umfang noch extrem schwierig abzuschätzen sein. Als sicher gilt, dass sie sowohl für die großen, systemisch relevanten als auch die gebeutelten regionalen US-Finanzinstitute noch hohe Hindernisse mit sich bringen und damit einem unterschätzten Trend neuerlichen Schwung verleihen dürften: Dem Abfluss von Assets und Finanzierungsleistungen an Intermediäre ohne Einlagengeschäft – einer noch immer lax regulierten und wenig transparenten Ecke des Markts.

Vorschub dürfte dieser Entwicklung die Umsetzung des globalen Bankenpakets Basel III in den USA leisten. Die berechtigte Entrüstung über verschärfte Kapitalvorgaben, die Bank-CEOs zu einer groß angelegten Lobbykampagne in Washington veranlasst hatte, ist wohl in Vergessenheit geraten. Grund dafür ist wohl vor allem der kommunikative Zickzackkurs der Federal Reserve, die den führenden Geldhäusern des Landes zunächst mit weit über das internationale Basel-III-Standardwerk hinausgehenden Aufschlägen von bis zu 20% auf ihre Eigenmittelquoten drohte und nach heftigem Gegenwind im September zurückruderte.

Naive Vorstellungen

Die Mindestanforderungen für das harte Kernkapital sollen „lediglich“ noch um 9% steigen. Branchenvertretern hat die Notenbank damit signalisiert, dass sie nur genügend Lärm machen müssen, um ihren Willen zu bekommen – und Investoren zugleich die falsche Vorstellung eingepflanzt, dass die nun angepeilten Kapitalaufschläge für US-Großbanken unbequem sind, letztlich aber nicht ins Gewicht fallen. Vom „Basel III Endgame“ ist in den Vereinigten Staaten gerne die Rede – doch zu glauben, dass mit der Umsetzung der aktuell ventilierten Regeln das Ende der Fahnenstange erreicht ist, ist naiv.

Gerade auf Banken mit einer Bilanzsumme von unter 250 Mrd. Dollar dürften mit wachsenden geschäftlichen auch vermehrte regulatorische Herausforderungen zukommen. Nach Fed-Vorstellungen müssten diese die neue Verpflichtung erfüllen, nicht realisierte Gewinne und Verluste aus ihren Wertpapierportfolios in die Berechnung ihrer Kapitalquoten einzubeziehen. Ein vernünftiges Vorhaben, waren die Bilanzen kollabierter Institute wie der Silicon Valley Bank (SVB) doch äußerst intransparent, weil sie Verluste aus Bondpositionen, die bis Fälligkeit eingeplant waren, nicht direkt auswiesen.

Konsolidierung mit Hürden

Höhere Anforderungen an Regionalbanken dürften eine fortschreitende Konsolidierung im Sektor begünstigen. Schon im Nachgang der SVB-Krise 2023 haben viele mittelgroße Institute gezeigt, dass sie glauben, im Verbund solidere Bilanzen vorweisen zu können als solo. Allerdings brechen über sie andere Teile der Regulierungsflut herein, hat die Einlagensicherung FDIC zuletzt doch ihre Prüfprozesse für Bankmerger ausgeweitet.

Im Segment der Intermediäre ohne Einlagengeschäft tummelt sich eine wachsende Zahl an Spielern, die inzwischen auch traditionelle Dienstleistungen im Kreditgeschäft bereitstellen. Immerhin hat die Fed von New York die Zeichen der Zeit erkannt und setzt sich in mehreren Studien mit Stabilitätsgefahren durch Spillover-Effekte aus dem Segment der schwach regulierten Nichtbanken auf den Rest des Finanzsystems auseinander. Es wird Zeit, dass auch der Rest der Branche und ihre Aufsichtsbehörden aufwachen.

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