Rekord-Mietsprünge belasten Manhattans Einwohner
Notiert in New York
Manhattans Mieter unter Druck
Von Alex Wehnert
Nicht jeder kann so viel Glück haben wie der Autor dieser Zeilen. Wohnhaft in einem geräumigen, schönen und preiswerten Apartment unmittelbar nördlich des Central Parks, jung, intelligent, teuflisch attraktiv und strotzend vor Lebensfreude … doch wir schweifen ab. Entscheidend ist der erste Punkt: die günstige Wohnung in Harlem.
Denn leider kann sich die Hälfte der Haushalte die Lebenshaltungskosten in der Metropole nicht mehr leisten, wie aus einem am Dienstag veröffentlichten Bericht des am Gemeinwohl orientierten Fund for the City of New York hervorgeht. Im Jahr 2021 lag der Wert noch bei einem Drittel. Durch den Anstieg steckt die Empire City bezüglich der Zahlungsfähigkeit ihrer Einwohner mitten in der schwersten Krise seit zwei Jahrzehnten.
Diese wirkt sich auf eine Vielzahl an Bereichen aus, unter anderem auf das Bildungssystem: Die Anmeldungen an öffentlichen Schulen in den Five Boroughs sind in den vergangenen Jahren scharf zurückgegangen – vor allem, weil viele schwarze Familien in Reaktion auf die gestiegenen Preisniveaus ins Umland gezogen sind.
Wer sich Extravaganzen wie Lebensmittel, eine Wohnung und Fahrkarten für den öffentlichen Nahverkehr leisten will und darüber hinaus noch der bizarren Vorstellung nachhängt, etwas Geld für künftige Ausgaben beiseitelegen zu wollen, der muss laut dem jüngsten Bericht gemeinsam mit seinen anderen Haushaltsmitgliedern mindestens 100.000 Dollar im Jahr verdienen. Im südlichen Manhattan beläuft sich der Minimalbetrag für aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern bestehende Familien auf läppische 150.000 Dollar. Dem steht laut dem jüngsten Zensus ein Median-Einkommen der New Yorker Haushalte von 70.000 Dollar gegenüber.
Neben den exorbitanten Lebensmittelpreisen – der Kauf eines Bunds Lauchzwiebeln in Manhattans Supermärkten kann bereits den Weg in die Privatinsolvenz ebnen – sind dabei insbesondere die rekordhaften Sprünge der örtlichen Mieten problematisch. Diese erholten sich zunächst zwar langsamer als in anderen US-Großstädten vom Einbruch zu Beginn der Pandemie, zogen nach der Rückkehr von Studenten und Büroangestellten in die Metropole aber umso kräftiger an. Gerade in Manhattan klettern sie auch im laufenden Jahr unermüdlich weiter, während das höchste Neuangebot an Wohnraum seit 1986 in den übrigen Landesteilen längst wieder zu Rückgängen führt.
Wen schon die bisherigen Anstiege vor kaum zu überwindende Probleme stellen, dem werden angesichts der jüngsten Diskussionen innerhalb des städtischen „Rent Guidelines Board“ erst recht die Ohren schlackern. Für Wohnungen, die unter städtische Preisregulierungen fallen, war dort in der vergangenen Woche von Mieterhöhungen um 8,25% die Rede. Der Vorschlag bezieht sich wohlgemerkt auf einjährige Verträge – für zweijährige Vereinbarungen stehen Anhebungen um 15,75% im Raum.
Bei den Mitgliedern des Mietgremiums handelt es sich aber nicht um solch von der Lebenswirklichkeit abgeschirmte Fantasten, wie diese Zahlen zunächst suggerieren mögen. Denn der Board adressiert mit den Überlegungen massive Belastungen für Vermieter. So sind die Brennstoffpreise laut dem Gremium zuletzt um 20% in die Höhe geschossen, die Versicherungskosten hätten um 13% zugelegt und die generelle Instandhaltung sei gegenüber dem Vorjahr um 9% teurer geworden.
Dies bekommen längst nicht mehr nur Privatvermieter zu spüren. Auch die Investmentgesellschaft Blackstone läuft beispielsweise Gefahr, einen Default auf einen 270 Mill. Dollar schweren, durch elf Wohngebäude in Manhattan besicherten Kredit hinzulegen. Die Instandhaltungskosten für die größtenteils im Stadtteil Chelsea und an der Upper East Side befindlichen Immobilien sind offenbar so stark gestiegen, dass sie sich auch durch schwindelerregende Mieten nicht auffangen lassen. Ein Penthouse-Apartment in einem der Gebäude wurde zuletzt für 16.000 Dollar pro Monat angeboten – entspricht aktuell rund drei Bunden Lauchzwiebeln.