KommentarStresstest

Ritual mit Schwächen

Aussagekraft und Sinn von Stresstests sind aus Bankensicht eher zweifelhaft. Gerade große Institute müssen dennoch mit mehr Prüfungen rechnen.

Ritual mit Schwächen

Stresstest

Ritual
mit Schwächen

Von Tobias Fischer

Jahr für Jahr das gleiche Ritual: Finanzaufseher und -regulierer, mal nationale, mal supranationale, geben ihren Schutzbefohlenen arbeitsintensive Hausaufgaben auf, die über Wochen und Monate still abzuarbeiten und fristgerecht abzuliefern sind. Danach prüfen, analysieren, rechnen und bewerten die Aufseher, ebenso geräuschlos und wohl nicht minder aufwendig. Schließlich verkünden sie die Ergebnisse öffentlichkeitswirksam – aggregiert, ohne Namensnennungen, gepaart mit der Feststellung, die Finanzbranche in ihrer Gesamtheit sei gefestigt, resilient und gesund. Es folgt das große aber. Denn der grundsätzlich zufriedenstellende Befund könne sich auch schnell ändern. Auf den Stresstest folgt erst mal Ruhe - bis zum nächsten Mal. 

Der Akt beschert den Banken jede Menge Arbeit und Kosten und provoziert die Frage nach dem Sinn. Je nach Annahmen, die den Negativszenarien zugrundeliegen, fällt der Ertrags- und Kapitalverzehr mal mehr, mal weniger stark aus. So macht bisweilen das Wort der Willkür in Finanzkreisen die Runde. Nun darf den Aufsehern unterstellt werden, dass sie sich intensiv Gedanken machen, wenn sie ihre Szenarien ausarbeiten. Die Ergebnisse geben ihnen Hinweise, wo es im Finanzsystem hapert, sie schärfen das Bewusstsein für Fehlentwicklungen. Wo Defizite sichtbar werden, schaut die Aufsicht genauer hin oder verlangt höhere Kapitalpuffer.

Grundsätzlich ist das gut und richtig. Zweifel der Branche bezüglich Kosten-Nutzen-Ratio und genereller Aussagekraft von Stresstests sind aber berechtigt. Hinzu kommt, dass Annahmen von der Aktualität überholt zu werden drohen, so wie 2022, als die Folgen des Ukraine-Krieges sie alt aussehen ließen. Auch sagen Stresstests wenig über die Qualität der Führung aus.

Bestes Beispiel, wie schnell auf Basis von Kapital- und Liquiditätskennziffern grundsolide erscheinende Häuser angesichts von Governance-Schwächen kippen können, ist die Credit Suisse.  

Die Schwachstellen haben die Aufseher erkannt, sie versuchen, schneller zu agieren und zumindest für kleinere Institute den Aufwand zu verringern. Doch haben manche in der Vergangenheit auch zu verstehen gegeben, nachschärfen zu wollen. Vor allem die großen Banken werden sich darauf einstellen müssen, noch häufiger und schärfer auf die Probe gestellt zu werden.

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