Im BlickfeldPrivatisierungen

Rom hofft auf Milliardeneinnahmen

Die italienische Regierung plant bis 2026 mit Privatisierungserlösen von 20 Mrd. Euro. Das ist jedoch völlig unrealistisch. Die Glaubwürdigkeit der italienischen Haushaltspolitik steht auf dem Spiel.

Rom hofft auf Milliardeneinnahmen

Illusorische Hoffnungen auf Privatisierung

Italiens Regierung will 20 Mrd. Euro bis 2026 erlösen, aber mit Ausnahme von Monte dei Paschi gibt es keine konkreten Pläne

Von Gerhard Bläske, Mailand

Eines der wenigen konkreten Privatisierungsvorhaben der italienischen Regierung: Monte dei Paschi di Siena (MPS), die älteste Bank der Welt.

Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni ist jetzt genau ein Jahr im Amt. Nach einem guten Start hat ihre Glaubwürdigkeit an den Finanzmärkten zuletzt aber erheblich gelitten. Mit einer Bankensteuer und einem Preisdeckel für einige inneritalienische Flugverbindungen, die inzwischen beide ausgehöhlt worden sind, sorgte sie für erhebliche Irritationen. Es ist jedoch vor allem der Haushaltsentwurf für 2024, der große Zweifel ausgelöst hat, dass Meloni eine glaubwürdige Budgetpolitik verfolgt. Denn er beruht auf völlig unrealistischen Annahmen.

Das gilt auch für die mittelfristige Planung. Selbst bei Eintreten der sehr optimistischen Prognosen würde der Schuldenberg von 140% des Bruttoinlandsprodukts bis 2026 bestenfalls nicht weiter wachsen. Der Zinsaufschlag der Staatsanleihen gegenüber deutschen Bonds ist zuletzt auf über 200 Basispunkte gestiegen. Das erhöht die Zinsausgaben des Staates weiter und verteuert die Kreditaufnahme für Private und Unternehmen.

Spielraum wäre da

Zu den zu optimistischen Grundannahmen der mittelfristigen Finanzplanung gehören Privatisierungserlöse von 20 Mrd. Euro bis 2026. Niemand glaubt, dass das realistisch ist. Das liegt nicht daran, dass es keinen Spielraum dafür gäbe. Der italienische Staat hält entweder direkt oder indirekt (über die mehrheitlich staatliche Förderbank Cassa Depositi e Prestiti – CDP) sehr umfangreiche Beteiligungen etwa an der Staatseisenbahn Ferrovie dello Stato, dem Börsenkrösus Enel, dem Mineralölkonzern Eni, ITA Airways, der Mehrländerbörse Euronext, dem Baukonzern We Build, der Post oder dem Zahlungsdienstleister Nexi. Doch von Ausnahmen abgesehen, sind Privatisierungen überhaupt nicht in Sicht. Im Gegenteil: Der Staat hat seinen Einfluss in der Wirtschaft etwa durch Golden-Power-Aktien ausgeweitet und plant, für mehr als 2 Mrd. Euro eine Beteiligung von bis zu 20% am Festnetz von Telecom Italia (TIM) zu erwerben, das aus dem Unternehmen ausgegliedert werden soll. Auch bei dem jahrzehntelangen Milliardengrab Acciaierie dItalia (Ilva-Stahlwerk in Taranto), in das Rom in den letzten Jahrzehnten hohe Milliardenbeträge gesteckt hat, droht eine Re-Verstaatlichung. Das Unternehmen, zu 62% von ArcelorMittal und zu 38% vom Staat kontrolliert, kann seine Gasrechnung nicht bezahlen und erhält keine Kredite der Banken mehr. ArcelorMittal will aber kein Geld mehr investieren. Es ist wahrscheinlich, dass Rom, das versprochen hat, die 10.000 Beschäftigten nicht im Stich zu lassen, das Unternehmen nationalisiert. Der Stahlriese soll künftig grünen Stahl produzieren. Die nötigen Investitionen von 5,5 Mrd. Euro sollen teilweise durch Mittel aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm sowie, vermutlich, staatlichen italienischen Geldern aufgebracht werden.

Zusätzlichen Ausgaben bzw. Kosten für Verstaatlichungen stehen so gut wie keine potenziellen Privatisierungserlöse gegenüber. Die seit Monaten von den EU-Kartellbehörden blockierte Übernahme eines Anteils von 40% an ITA Airways durch die Lufthansa würde 320 Mill. bis 330 Mill. Euro in die Kasse spülen, aber das Geld flösse nicht Rom zu, sondern der Fluggesellschaft.

Das einzige weitere konkrete Privatisierungsprojekt ist der Verkauf eines Teils der 64-prozentigen Staatsbeteiligung an der Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS). Die Regierung hat Finanzberater beauftragt, eine (Teil-)Privatisierung zu prüfen. Mangels Interessenten für eine Komplettübernahme dürften wohl zunächst nur um die 15% verkauft werden. Die Einnahmen daraus wären überschaubar. Die Bank weist eine Kapitalisierung von weniger als 3 Mrd. Euro auf. Rom hat 2017 für die Rettung des Instituts eine Kapitalspritze von 5,4 Mrd. Euro geleistet und Ende 2022 weitere 1,6 Mrd. aus der Kapitalerhöhung um 2,5 Mrd. Euro übernommen.

Medienberichten zufolge könnten mögliche Privatisierungen die Post, die Staatseisenbahn und die Autobahngesellschaft Autostrade per lItalia (Aspi), die erst vor zwei Jahren wieder verstaatlicht worden ist, betreffen. Bei der Post und vor allem bei der Staatseisenbahn wäre die Umsetzung nicht einfach und vermutlich langwierig, etwa weil die Betreibergesellschaft Trenitalia von der Netzgesellschaft im Vorfeld getrennt werden müsste. Die zu erwartenden Privatisierungserlöse lägen wohl nur bei einigen Milliarden Euro. Viel größere Potenziale böte der Verkauf der Beteiligungen an Eni, Enel oder Terni. Davon ist derzeit nicht die Rede.

Italien ist ein gebranntes Kind und will die Kontrolle über als strategisch erachtete Unternehmen behalten. Frühere Privatisierungen, etwa von TIM, endeten im Desaster. Investoren bereicherten sich an dem Unternehmen und hinterließen ein schwaches und mit Schulden vollgepumptes Unternehmen, das international keine Rolle spielt. Andere frühere Großkonzerne wie Fiat, Olivetti oder Pirelli existieren nicht mehr, sind geschrumpft oder Teil ausländischer Unternehmen.

Spielraum für Ausgabensenkungen

Ohne die versprochenen Privatisierungserlöse aber müsste Italien die Anstrengungen zur Schuldenreduzierung deutlich verstärken – etwa durch Ausgabensenkungen. Dafür besteht nach Ansicht von Confindustria-Chef Carlo Bonomi erheblicher Spielraum. Lorenzo Bini Smaghi, Ex-Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) und Chairman der Société Générale, sieht ohne entsprechende Privatisierungserlöse einen zusätzlichen Korrekturbedarf im Haushalt von knapp 60 Mrd. Euro bis 2026. Andernfalls wäre die Haushaltspolitik nicht nachhaltig. Die Schulden näherten sich dann „in gefährlicher Weise einem Wert von 150%“. Die Folgen an den Märkten wären wohl unabsehbar.

Im Falle neuer externer Schocks hat Rom ohne eine solidere Haushaltspolitik quasi keinen Spielraum. Privatisierungserlöse würden den Korrekturbedarf zumindest etwas reduzieren.

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