Abschlussprüfer

Ruck im Prüfermarkt

Die Rückkehr eines Mittelständlers als Abschlussprüfer im Dax ist ein Erfolg, bringt aber keine Trendwende im Markt.

Ruck im Prüfermarkt

Von null auf hundert:  BDO ist mit dem Mandat als Abschlussprüfer des Softwarekonzerns SAP ein Coup gelungen, der für große Aufmerksamkeit in der Branche sorgt. Erstmals seit vielen Jahren ist wieder ein mittelständisches Prüfungs- und Beratungsunternehmen in Deutschland von einem Dax-Konzern für das Bilanztestat auserwählt worden. Ein Segment, in dem die vier Marktführer PwC, KPMG, EY und De­loitte fest etabliert und als „Big 4“ auch im Zuge der von der EU-Regulierung er­zwungenen Pflichtrotation unter sich geblieben sind.

Auf den Tag des Markteintritts im Dax haben die von BDO angeführten „Next 10“ der mittelständischen Prüfungsgesellschaften lange hin­gearbeitet. „Big 5“ und ein Aufbrechen der oligopolistischen Marktstruktur bleibt gleichwohl Wunschdenken. Dafür ist der Abstand zwischen den Platzhirschen und ihren Verfolgern zu groß. Zudem hat sich BDO im Ausschreibungsverfahren nicht gegen die größeren Wettbewerber durchgesetzt, weil diese am Beauty Contest gar nicht teilgenommen haben. PwC & Co. wollten sich offensichtlich ihre lukrativen Beratungsmandate bei der SAP-Kundschaft bewahren – in dem Segment gelten die Big 4 in der Prüferszene als Teil der Vertriebsmaschine des Walldorfer Softwarekonzerns. Das hat den Mandatsgewinn für BDO als Nummer 5 im deutschen Markt in dem speziellen Fall befördert. In Börsensegmenten unterhalb des Dax 30 soll die traditionsreiche Prüfungsgesellschaft gleichwohl im Pitch auch schon gegen einen der Marktführer gesiegt haben, zum Beispiel gegen Deloitte in der Ausschreibung der Deutschen Beteiligungs-AG – zu der Zeit noch im SDax.

Für BDO ist das Dax-Mandat ein Erfolg nach einer Neuausrichtung. Nach umfangreicher Reorganisation und Stärkung des Beratungsgeschäfts hat die 100 Jahre alte Gesellschaft aktiv danach gesucht, ins oberste Börsensegment zurückzukehren. Im Dax war BDO vor langer Zeit schon mal vertreten, etwa als Abschlussprüfer der ehemaligen Blue-Chip-Unternehmen Schering und MAN. Es ist somit keine Premiere, allerdings ist die Rückkehr mit einem Kunden gelungen, der insofern herausragt, weil er nicht nur eine der höchsten Bewertungen im Dax aufweist, sondern für eines der anspruchsvollsten Prüfungsmandate steht – zumal SAP mit dem Listing in New York auch die umfangreichen Regularien des US-amerikanischen Kapitalmarkts erfüllen muss.

Ungewöhnlich ist, wie über den Mandatsgewinn informiert wurde. Seit der gesetzlich veranlassten Pflichtrotation herrscht allgemein mehr Transparenz, und ein Prüferwechsel löst nicht mehr den Verdacht aus, es gebe womöglich Indifferenzen über das Ausmaß der Bilanzpolitik. Inzwischen informieren einige Emittenten selbst, dass sie ausschreiben, und geben das Ergebnis bekannt. Oft wird der Wechsel aber erst mit der Hauptversammlung bekannt. BDO setzt neue Maßstäbe, verkündet den Erfolg in eigener Pressemitteilung und lässt sich darin von SAP loben – nicht etwa vom Aufsichtsrat, sondern vom Chief Accounting Officer. Da stellt sich für Außenstehende die Frage, wer hier der Dienstleister ist.

Um sich für größere Kunden mit globalem Geschäft zu empfehlen, haben zahlreiche mittelständische Prüfungsfirmen in den vergangenen Jahren den Zusammenschluss mit Wettbewerbern gesucht und ihre internationalen Netzwerke ausgebaut. BDO kann hier mit einer globalen Organisation im Rücken punkten. Zum Netzwerk gehören inzwischen 91000 Mitarbeiter in 167 Ländern, die im vergangenen Jahr 9,2 Mrd. Euro Umsatz erwirtschafteten. In Deutschland hatte BDO zuletzt 262 Mill. Euro umgesetzt. Das globale Netzwerk wird auch beim SAP-Mandat stark gefordert sein. Die vom bisherigen Prüfer KPMG aufgestellte Rechnung listet für 2020 ein Prüferhonorar einschließlich prüfungsnaher Dienstleistungen von 14 Mill. Euro auf, davon nur 3 Mill. im Inland.

Die Pflichtrotation hat den Wettbewerb im Prüfermarkt bislang entgegen den Erwartungen der EU-Kommission nicht erhöht. Auch der Eisbrecher im Dax-Segment wird keine Trendwende in der Marktkonzentration einleiten. Aufsichtsräte vertrauen auf die Marktführer, um auf der sicheren Seite zu bleiben. Mit der gesetzlichen Aufarbeitung des Wirecard-Skandals dürfte sich die Situation sogar weiter auswachsen. Der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität sieht eine deutliche Verschärfung der Haftung des Wirtschaftsprüfers vor. Das könnte kleinere und mittelständische Praxen aus dem Markt werfen.