KommentarPreisstabilität

Deutlicher Inflationsrückgang ist noch kein Grund zum Feiern

Die Inflation im Euroraum ist weniger als ein Prozentpunkt vom Teuerungsziel der EZB entfernt. Der Weg zur Preisstabilität ist dennoch weiter lang.

Deutlicher Inflationsrückgang ist noch kein Grund zum Feiern

Euro-Inflation

Von Martin Pirkl

Noch kein Grund zum Feiern

Die Euro-Inflation ist weniger als einen Prozentpunkt vom Teuerungsziel der EZB entfernt. Der Weg zur Preisstabilität ist dennoch weiter lang.

Es ist eine symbolträchtige Zahl. Die Inflationsrate im Euroraum hat endlich wieder eine 2 vor dem Komma. Damit trennt die aktuelle Teuerung weniger als ein Prozentpunkt vom Preisstabilitätsziel der Europäischen Zentralbank (EZB). So niedrig war die Inflation seit mehr als zwei Jahren nicht mehr. Doch nur auf den ersten Blick ist der Weg zum 2-Prozent-Ziel nicht mehr weit.

Der Rückgang der Inflationsrate liegt maßgeblich an statistischen Basiseffekten. Im vergangenen Jahr sind die Energiepreise wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine explodiert. Im Vergleich zu diesen Zahlen fallen die Energiepreise daher aktuell niedrig aus. Doch damit ist demnächst Schluss.

Inflationsziel der EZB wird noch lange nicht erreicht

Zum Jahresende 2022 übernahm in Deutschland, der größten Volkswirtschaft der Eurozone, der Staat einmalig die Gas- und Fernwärmerechnung vieler Verbraucher sowie kleinerer und mittlerer Unternehmen. Dies drückte die Inflation in diesem Bereich im Dezember 2022 deutlich nach unten. Für die deutsche Inflationsrate zum Ende des Jahres 2023 ist dies ein negativer Basiseffekt, der auch an der Euro-Inflation nicht spurlos vorbeigehen wird. Und ab 2024 fällt das Energiekrisenjahr 2022 dann sowieso komplett raus aus der Berechnung der Inflationsrate.

Mehrere Aufwärtsrisiken für die Inflation

Auch abseits von solchen statistischen Effekten spricht viel dafür, dass das Inflationsziel der EZB noch länger verfehlt wird. Steigende Löhne drohen den Inflationsdruck gerade im Dienstleistungssektor aufrechtzuerhalten, auch wenn es derzeit nicht nach der zwischenzeitlich von Ökonomen befürchteten Lohn-Preis-Spirale aussieht.

Zudem droht bei den Energiepreisen der nächste kriegsbedingte Schock. Noch sind die Auswirkungen des Nahost-Konflikts auf die Öl- und Gaspreise moderat. Doch das kann sich schnell ändern, wenn sich der Konflikt ausweitet.

Ein weiteres Aufwärtsrisiko für die Teuerung sind die Inflationserwartungen der Verbraucher in der Eurozone. Diese sind zuletzt sogar leicht gestiegen. Die Preisprognose auf Sicht von drei Jahren liegt mit 2,5% im Median merklich oberhalb des EZB-Inflationsziels.

Zeitnahe Zinssenkungen darf es nicht geben

Diese Vorhersage kann zur selbst erfüllenden Prophezeiung werden, wenn beispielsweise die Erwartung steigender Preise zu höheren Lohnabschlüssen führt. Daher ist die EZB gut beraten, glaubwürdig auf einer weiter restriktiven Geldpolitik zu beharren. Zeitnahe Zinssenkungen kann sie daher öffentlich gar nicht entschieden genug zurückweisen.

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