Sánchez agiert auf sehr dünnem Eis
Sánchez macht weiter
Auf sehr dünnem Eis
Von Thilo Schäfer
Die Wiederwahl von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez im Parlament wurde überschattet von der Kontroverse um die Amnestie für die katalanischen Separatisten. Auf den Straßen gab es tagelang Proteste, die oft in Gewaltausbrüchen einiger Radikaler endeten. Die Juristen in Spanien äußerten ihre Sorge um die Gewaltenteilung im Staat, und auch die Wirtschaft warnte vor einem drohenden Imageverlust Spaniens, der die Investitionen betreffen könnte. Sánchez lag in seiner Rede im Unterhaus allerdings nicht ganz falsch mit der Vermutung, dass es den Arbeitgeberverbänden wohl weniger um die Folgen der Amnestie gehe, sondern sie vielmehr Angst vor vier weiteren Jahren der Linkskoalition hätten.
Die Bedenken sind aus Sicht der Unternehmer nicht unbegründet. Das Wirtschaftsprogramm der Sozialisten von Sánchez und ihres linken Koalitionspartners sieht eine Verbesserung der Arbeitnehmerrechte vor, wie eine weitere Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns oder eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Sánchez will zudem den Sozialstaat ausbauen, mit mehr Geld für Bildung und das Gesundheitswesen und einem Angleich der Renten an die Inflation.
Der finanzielle Spielraum wird jedoch immer enger. Zwar verzeichnet Spanien im Vergleich zu vielen europäischen Nachbarn weiterhin recht robuste Wachstumsraten. Doch die Kosten der Staatsschulden von gut 110% des BIP steigen zunehmend. Das Geld will sich die Regierung durch Steuererhöhungen für Großunternehmen und Besserverdiener besorgen.
Die Arbeitgeber müssen darauf hoffen, dass einige der Parteien, welche die Wiederwahl des Sozialisten ermöglicht haben, unliebsame Pläne der Linken ausbremsen werden. Die baskische PNV und die katalanischen Separatisten von Junts stehen der Wirtschaft nahe. Diese und andere Parteien haben angedeutet, dass Sánchez keinen Freibrief habe. Darin liegt die Schwäche der Minderheitsregierung. Allerdings war auch zu Beginn der ersten nationalen Koalition der jungen spanischen Demokratie Anfang 2020 die Skepsis groß, ob das Konstrukt ohne eigene Mehrheit im Parlament halten würde. Die Linken steuerten das Land dann aber gut durch die Mehrfachkrise von Pandemie, Krieg und Preisexplosion. Die Wirtschaft läuft. Vor allem der Arbeitsmarkt zeigt sich überraschend robust, auch dank der jüngsten Reformen. Doch zukünftig muss Sánchez seine Projekte und Haushalte mit noch mehr Kleinparteien verhandeln als bisher. Das Eis, auf dem er sich bewegt, ist erheblich dünner geworden.