Sánchez mag es gerne medium gebraten
In Spanien hat der rasante Anstieg der Corona-Infektionen in den letzten Tagen in der Tourismusbranche wieder die Alarmglocken läuten lassen, besonders nach der Reisewarnung der Bundesregierung für das gesamte Land. Das hat Ministerpräsident Pedro Sánchez jedoch nicht davon abgehalten, mit dem Austausch von sieben Ministern und Ministerinnen am Wochenende offiziell eine neue politische Phase auszurufen. Die ganz harte Zeit sei nun vorüber, versicherte der Regierungschef, nun gebe es „eine Regierung für den Wiederaufbau, um die Pandemie völlig hinter uns zu lassen“. Damit dieser selbst erklärte Gezeitenwechsel auch fernsehbildlich rüberkommt, tagte das neue Kabinett am Dienstag erstmals seit Ausbruch der Coronakrise wieder in dem traditionellen, alten Saal im Palacio de la Moncloa, dem Sitz des Ministerpräsidenten in Madrid. In den vergangenen Monaten hatte die 23-köpfige Regierung aus Sánchez’ Sozialisten der PSOE und dem Linksbündnis Unidas Podemos in einem schmucklosen, aber viel geräumigeren Veranstaltungssaal getagt, wo die Sicherheitsabstände besser eingehalten werden konnten.
Zur sorgfältig geplanten Choreografie des Starts in die neue Phase, mit Blick auf die nächsten Wahlen, die spätestens im November 2023 stattfinden müssen, gehörte auch die erfreuliche, wenn auch wenig überraschende Nachricht, dass die europäischen Wirtschafts- und Finanzminister im Ecofin am Dienstag grünes Licht für den spanischen Wiederaufbauplan gaben. Nun können die Milliarden fließen, mit denen Sánchez die Wirtschaft wieder in Schwung bringen und modernisieren will. So konnte die neue Regierungssprecherin Isabel Rodríguez am Dienstag im Anschluss an die Kabinettssitzung gleich zwei mit Milliarden aus dem europäischen Wiederaufbaufonds aufgepäppelte Projekte verkünden: Hilfen für den Kauf von Elektroautos und eine umweltgerechte Gebäudesanierung.
Sánchez begründete die seit Wochen erwartete Kabinettsumbildung zwar damit, dass es neuer Gesichter für diese neue Phase des Wiederaufbaus bedarf. Aber im wirtschaftspolitischen Teil des Kabinetts wurden alle Minister im Amt bestätigt, und die Wirtschaftsministerin Nadia Calviño wurde zur ersten Stellvertreterin des Regierungschefs aufgewertet. Einzig der mächtige Transportminister José Luis Ábalos, dem Sánchez bei seinem Aufstieg an die Macht viel zu verdanken hat, wurde überraschend geschasst und trat sofort auch von seinem Vorstandsposten der PSOE zurück. Ansonsten brachte Sánchez aber mehr Parteimitglieder der Sozialisten in seine Mannschaft und opferte dafür unabhängige Mitstreiter, wie den Minister für Wissenschaft und Forschung, den in Spanien sehr bekannten Astronauten Pedro Duque. Der Regierungschef begnadigte sogar frühere parteiinterne Rivalen, wie Óscar López, der fortan der Büroleiter des Ministerpräsidenten ist. Er löst den als spanischer Rasputin geltenden bisherigen Chefberater von Sánchez, Iván Redondo, ab, über dessen Abgang es in den spanischen Medien wilde Spekulationen gibt.
Auffallend war auch, dass der Minister für territoriale Politik, also den Umgang mit den autonomen Regionen, nach nur einem halben Jahr im Amt ins Ressort für Kultur und Sport abgeschoben wurde. Denn der Katalane Miquel Iceta sollte eigentlich die hochkomplizierte Annäherung an die Separatisten in seiner Heimat voranbringen. Seine Nachfolgerin im Amt, die Regierungssprecherin Isabel Rodríguez, kommt aus Kastilien-La Mancha, wo die Empathie für die katalanische Identität nicht ganz so ausgeprägt ist wie anderswo im Land.
Mit den Neubesetzungen will Sánchez auch einige Differenzen mit dem kleinen Koalitionspartner Unidas Podemos ausbügeln, dessen fünf Ministerposten nicht angetastet wurden. Dabei fachte der Ministerpräsident vor Tagen selbst einen kleinen Streit an, mit dem Minister für Verbraucherschutz Alberto Garzón. Der Kommunist hatte eine Kampagne angestoßen, damit die Menschen im Sinne des Umweltschutzes weniger Fleisch essen, was Ärger bei den Landwirten auslöste. Angesprochen auf das Thema, antwortete Sánchez lakonisch: „Ein medium gebratenes Rindersteak ist für mich unschlagbar.“ Beim Umbau des Kabinetts ließ der Regierungschef nichts anbrennen.