Sánchez verhandelt zügig
Notiert in Madrid
Sánchez verhandelt zügig
Von Thilo Schäfer
Internationale Berichterstatter mit Sitz in Madrid werden bei ihren Besuchen in Katalonien nicht allein mit den rein identitären Forderungen des Teils der Gesellschaft konfrontiert, der sich von Spanien abspalten will. Seit vielen Jahren hört man regelmäßig Klagen über die Unterfinanzierung der Infrastruktur in der Region seitens des spanischen Staates. In der Tat häufen sich besonders bei den Zügen Probleme mit Verspätungen und Ausfällen, vor allem im Ballungsgebiet um die Hauptstadt Barcelona mit den wichtigen Industriestädten wie Sabadell, Manresa oder Tarragona. Für die meisten Katalanen steht außer Frage, dass der Zentralstaat Katalonien jahrzehntelang vernachlässigt hat, während massiv in strukturschwache Regionen anderswo im Land investiert wurde.
Bei den Verhandlungen zwischen der linken Minderheitsregierung mit den katalanischen Separatisten für deren Stimmen zur Wiederwahl von Ministerpräsident Pedro Sánchez im Parlament ging es vordergründig um die Forderung einer Amnestie für die Beteiligten der Ereignisse rund um das illegale Unabhängigkeitsreferendum von 2017. Doch gab es noch ein weiteres sehr wichtiges Thema, bei dem nun ein Durchbruch gelungen ist.
Die Sozialisten von Sánchez einigten sich mit der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) darauf, dass der Regionaleisenbahnverkehr in der Region vom nationalen Transportministerium vollständig an die Regierung in Barcelona übertragen werden soll. Bislang können die Katalanen lediglich die Zeitpläne der Nahverkehrszüge festlegen. Sie haben jedoch keinen Einfluss auf die Ausrüstungsinvestitionen und das Streckennetz. In gewisser Weise nährten diese berechtigten Klagen über die Unterfinanzierung den Separatismus, obwohl Sánchez die Investitionen in die Infrastruktur Kataloniens in den letzten Jahren wieder hochgefahren hat.
In der Linkskoalition ist man nun optimistisch, dass die Wiederwahl des Ministerpräsidenten nächste Woche über die Bühne gehen kann. Die gesetzliche Frist läuft bis zum 27. November, sonst gäbe es automatisch Neuwahlen am 14. Januar. Die Konservativen von Alberto Núñez Feijóo hatten bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juli zwar die meisten Stimmen und Sitze erobert. Doch bei der Abstimmung fehlten ihm vier Abgeordnete zur erforderlichen Mehrheit. Nach der Einigung mit ERC braucht Sánchez jetzt noch das grüne Licht von Junts, der anderen separatistischen Partei, die vom früheren Ministerpräsidenten Carles Puigdemont kontrolliert wird, der sich vor der spanischen Justiz nach Belgien abgesetzt hatte.
Man ist sich offenbar fast einig – wohl auch beim umstrittensten Punkt: die Amnestie für alle, denen wegen ihrer Aktivitäten rund um das Referendum juristische Folgen drohen. Dabei geht es um Hunderte Mitarbeiter der Regionalregierung oder Schuldirektoren, die ihre Einrichtung für die vom Verfassungsgericht verbotene Volksabstimmung öffneten. Nun sollen auch Aktivisten von der Maßnahme profitieren, die wegen radikaler Proteste wie der Sperrung von Autobahnen oder der Ausschreitungen in Barcelona angeklagt sind.
Die rechte Opposition läuft seit Wochen Sturm gegen die Amnestie, die ihrer Meinung nach gegen das demokratische Gleichbehandlungsprinzip verstößt. Auch in der Justiz bereiten konservative Elemente Schritte gegen das Gesetz vor. Vor den Wahlen im Juli hatte Sánchez selbst einen generellen Freibrief für die Separatisten abgelehnt. Nun heißt es, dass alles verfassungskonform sei und das Ziel habe, das Zusammenleben in der zerrütteten katalanischen Gesellschaft zu fördern. Zuvor hatte die Regierung einige Separatistenführer, die zu Haftstrafen verurteilt worden waren, begnadigt. Seitdem ist es in Katalonien spürbar ruhiger geworden und der Zuspruch für die Unabhängigkeit auf deutlich unter 50 Prozent gesunken.
Sollte es beim Abkommen zur Wahl von Sánchez bleiben, könnten die Separatisten bald auch nicht mehr dem Zentralstaat die Schuld für die Verspätungen der Bahn in die Schuhe schieben.