Scalable geht unter die Börsenbetreiber
Die Spekulationen schossen schon ins Kraut, von daher war es gut, dass Scalable Capital am Dienstag mit ihrer Mitteilung für ein Stück Klarheit gesorgt hat. Der Neobroker geht mit Gründung der European Investor Exchange (EIX) unter die Börsenbetreiber, um sich für den bevorstehenden Wegfall der Rückvergütungen aus Payment For Order Flow (PFOF) strategisch zu rüsten. Es war ja schon lange im Schwange, dass die Neobroker einen eigenen Market Maker aufstellen würden, um die Wertpapieraufträge der Kunden abzuwickeln - und Scalable macht in der Zusammenarbeit mit der zur BÖAG gehörenden Börse Hannover nun Nägel mit Köpfen.
Neue Nord-Süd-Achse im Börsenhandel
Dass der Münchener Neobroker dabei über die Hannoveraner geht, das hatte wohl niemand auf dem Zettel. Die Überraschung ist also gelungen - jetzt muss es nur noch ein Erfolg werden. Die Chancen dafür stehen gut, sind die beiden Scalable-Gründer Florian Prucker und Erik Podzuweit doch Trading-Profis, wissen also sehr genau, wie die Mechanik im Wertpapierhandel strukturiert ist. In dem Zusammenhang sollte nicht untergehen, dass Scalable im Hintergrund schon fleißig war und eine „vollständig vertikalisierte“ Tech-Plattform gebaut hat, die es erlaubt, Depotführung, Börsenhandel, Clearing, Settlement und Custody selbst zu erledigen.
Das Partnermodell bleibt grundsätzlich
Der bisherige Depotbank-Partner Baader Bank ist damit nicht raus, aber es wird nun nicht mehr alles dahin geroutet. Denn für Scalable ist es naheliegend, primär die eigene Plattform zu befüllen. Nicht zu vergessen: Die BaFin sieht es gerne, wenn Geschäft auf mehrere Schultern verteilt wird, um eine Risikostreuung zu haben, die zur Stabilität des operativen Geschäfts beiträgt. In dem Sinne beabsichtigt Scalable auch die Aufnahme des Einlagengeschäfts: Die Lizenz dafür ist beantragt bei der BaFin, aber man wird weiter Depositen auf Partner wie die Deutsche Bank und BlackRock (Geldmarktfonds) verteilen. Das gibt auf der Kundenseite Flexibilität für unterschiedliche Zinsangebote - und erlaubt es, in Zukunft das eigene Einlagengeschäft schrittweise hochzufahren.
Was macht Trade Republic?
Eine volle Banklizenz scheint Scalable für den Moment nicht anzustreben. Klassisches Kreditgeschäft könnte man über einen As-a-Service-Partner mit Bankbilanz darstellen. Trade Republic war den großen Schritt hin zur eigenen Vollbanklizenz gegangen - und mit Umstellung der Infrastruktur hatte es geruckelt, was in verzögerte Dividendenverbuchungen bei vielen Kunden mündete. Ein kleiner Lapsus, der für viel Ärger sorgte. Und es ist nun an Trade Republic, gegenüber Scalable nachzuziehen und ein Handelsmodell zu präsentieren, über das man künftig gehen will. So wie Scalable bislang Gettex als exklusiven Partner für den Tradeflow hatte, ist Trade Republic in einer Vereinbarung mit L&S Exchange.
Auf künftigen Datenticker einstellen
Für die BÖAG als Trägergesellschaft der Börsen Hannover, Düsseldorf und Hamburg ist der Scalable-Deal ein schöner Erfolg. Die Regionalbörsen müssen die Nischen nutzen - und Scalable wird als Neobroker und Investment-Plattform europäisch ausgeweitet, mit der in Hannover angesiedelten EIX als Basis für den Handel. Der muss sich dann im neuen EU-Regime des einheitlichen Datentickers behaupten, die Anforderungen an die Preisqualität dürften steigen. Und je mehr Liquidität man anzieht, desto bessere Geld- und Briefkurse kann man stellen.
Gratis-Vermarktung wird herausfordernd
Die nächste Baustelle für die Neobroker ist dann die Bepreisung pro Trade. Bislang konnte man sich dank der Einnahmen aus den Rückvergütungen auf 1 Euro als Kostenpauschale beschränken. Es könnte sein, dass man da bald mehr verlangt. Das muss aber sehr behutsam und schon fast in homöopathischer Dosis erfolgen, sonst kann man sich nicht mehr als Gratis-Broker vermarkten. Heißt im Klartext: Mehr als 1 Euro zusätzlich ist nicht drin.