Landtagswahlen

Schlümpfe spüren Rückenwind

Nach dem Wahlsonntag verspürt die SPD Rückenwind aus dem Südwesten. Eine Regierung ohne die Union ist im Herbst für den Bund weiter unwahrscheinlich.

Schlümpfe spüren Rückenwind

Ich mag Schlümpfe“, sagte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz vor einigen Tagen. Die seien klein und listig und würden immer gewinnen, erklärte der Finanzminister fröhlich. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, CSU-Chef mit Ambitionen auf das Kanzleramt, den Vizekanzler während der jüngsten Beratungen von Bund und Ländern über die Coronalage angeherrscht haben soll, er möge „nicht so schlumpfig grinsen“. Nach dem Start in das Superwahljahr am Wochenende ließ es sich Scholz freilich nicht nehmen, bei der Nachlese zu den Ergebnissen aus Baden-Württemberg und besonders aus Rheinland-Pfalz ein breites Grinsen aufzusetzen – und prompt platzte CDU-Chef Armin Laschet der Kragen.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, der nach der Wahl zum CDU-Parteichef im Januar gemäß Protokoll auch das Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur der Union hat, herrschte den Finanzminister an, er möge sich auf sein Ressort und vor allem auf die Finanzaufsicht konzentrieren, zu der sein Ministerium demnächst auch vor einem Untersuchungsausschuss Auskunft geben müsse. Keine Frage, in der Union liegen sechs Monate vor der Bundestagswahl die Nerven blank: Erst die kraftraubende interne Auseinandersetzung über die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer an der Parteispitze. Dann die Dauerkritik am Coronakurs der Bundesregierung mit einer ganzen Reihe von CDU-Ministern in der Schusslinie. Zuletzt die Maskenaffäre, die Erinnerungen an Amigo-Affäre und Parteispendenskandal weckte. Und am Wochenende musste sich die CDU  in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zweimal mit dem historisch schlechtesten Ergebnis geschlagen geben.

Die Schlümpfe spüren Rückenwind. In Mainz gilt nach dem Wahlsonntag die Fortsetzung einer SPD-geführten Dreierkoalition mit FDP und Grünen als wahrscheinlich. Es wäre das erste Mal überhaupt, dass eine Ampelkoalition an den Wahlurnen bestätigt wird, wie FDP-Chef Christian Lindner zufrieden feststellte. In Stuttgart wird nach dem Absturz der Union die Möglichkeit einer Ampel unter Führung der Grünen sondiert, so dass der CDU nach dem Verlust von Wählerstimmen auch die Regierungsverantwortung abhandenkommen könnte. Der Wahltag habe gezeigt, dass eine Regierungsbildung in Deutschland auch ohne die Union möglich sei, gab Scholz in seiner Wahlanalyse listig zu Protokoll und vergaß dabei nicht den Hinweis, dass er im Herbst Kanzler werden wolle.

Die Ansage ist kämpferisch, sie ist aber vor allem optimistisch. In bundesweiten Umfragen dümpelt die SPD schließlich weiterhin zwischen 15 und 17% abgeschlagen hinter der schwächelnden CDU, die sich immer noch bei rund 30% hält. Scholz setzt nicht zuletzt darauf, wegen des Ausscheidens von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Wahl im Herbst von einer Art Amtsinhaberbonus als Vizekanzler profitieren zu können. Auch in einer Ampelkoalition oder in einem rot-rot-grünen „R2G“-Bündnis würde Scholz derzeit aber nur die zweite Geige spielen. Die Grünen, die am Sonntag sowohl in Baden-Württemberg als auch in Rheinland-Pfalz die eigentlichen Wahlsieger waren, schaffen es bundesweit regelmäßig auf 17 bis 20% in den Umfragen. Die Wählerstimmen, die der SPD auf die Grünen fehlen, fehlen aktuell übrigens auch der Ampel und einer R2G-Koalition für eine Mehrheit im Bundestag. Die wahrscheinlichste Regierungskonstellation für den Bund im kommenden Herbst ist deshalb auch nach dem schlechten Abschneiden der CDU im Südwesten eine, die von der Union geführt wird.

Der Rückenwind, den Olaf Scholz verspürt, dürfte nicht viel mehr als ein paar Schlümpfe tragen. In diesem Jahr sei alles möglich, sagte Robert Habeck, der Co-Chef der Grünen, am Montag. Spekulationen über eine Ampelkoalition im Bund seien aber „absurd zu früh“. Stimmt, nicht zuletzt weil dem grünen Spitzenpersonal im Bund auf Winfried Kretschmann, dem grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, ebenfalls noch ein paar Ellen fehlen. Der nach Einschätzung des „Economist“ mächtigste Grün-Politiker Europas hat sich vor wenigen Tagen für eine grün-schwarze Option im Bund starkgemacht. Sie ist auch nach den Wahlen im Südwesten gegeben. Mit Blick auf den Bund hat sich am Sonntag vor allem das Kräfteverhältnis zwischen den potenziellen Kanzlerkandidaten der Union verschoben. Markus Söder wird sich am Sonntag wegen der geschwisterlichen Verbundenheit von CDU und CSU trotzdem jedes Grinsen verkniffen haben.