Berlin

Schlüssel­übergabe nach der Feier­stunde der Demokratie

Der Regierungswechsel in Berlin ist eine Feierstunde der Demokratie. Die Schlüsselübergabe in den Ministerien gerät danach mancherorts zur heiteren Plauderstunde.

Schlüssel­übergabe nach der Feier­stunde der Demokratie

Der in der zurückliegenden Woche vollzogene Regierungswechsel in Berlin war eine Feierstunde der Demokratie. Sie begann im Bundestag noch vor der Wahl des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) mit Standing Ovations für die scheidende Regierungschefin, die in den vergangenen Jahren eine Ära geprägt hat und jetzt auf der Zuschauertribüne saß. „Sie kann nur Krisen meistern und keine Zukunft gestalten“, hat man Angela Merkel (CDU) in ihrer Amtszeit immer wieder vorgehalten. Der Schlussapplaus im Parlament brachte noch einmal die Einsicht zum Ausdruck, dass die Fähigkeit zur Bewältigung von Krisen vielleicht gar keine so geringe Qualität in einem politischen Spitzenamt ist. Nach der Wahl des neuen Bundeskanzlers begann der Pendelverkehr zwischen Bundestag und Schloss Bellevue, wo die neuen Regierungsmitglieder von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) ihre Ernennungsurkunden erhielten, bevor sie im Parlament von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) vereidigt wurden.

*

Auf die Nüchternheit des Zeremoniells folgte in vielen Fällen eine große Herzlichkeit bei der Schlüsselübergabe von den bisherigen Amtsinhabern und Amtsinhaberinnen an die neuen Ministerinnen und Minister. Vorneweg im Gesundheitsministerium, wo der scheidende Ressortchef Jens Spahn (CDU) sichtlich mit Fassung rang, als er zum Abschied von der „bisher größten Aufgabe meines Lebens“ sprach und die Verantwortung für den Umgang mit der Corona-Pandemie an Karl Lauterbach (SPD) übergab. Beide hatten 2013 vor dem Start des Kabinetts Merkel III für die Koalitionäre das Dossier Gesundheit verhandelt und fest damit gerechnet, dass einer von ihnen das Ministerium führen würde, das dann an Hermann Gröhe (CDU) ging. „Ich freue mich, dass wir beide noch Minister geworden sind“, sagte Lauterbach.

*

Im Wirtschaftsministerium, das jetzt auch für den Klimaschutz zuständig ist, geriet die Amtsübergabe zur Plauderstunde mit Peter Altmaier (CDU), der nach 27 Jahren in der Politik einmal mehr seine Qualitäten als Erzähler unter Beweis stellte und sich an das erste Aufeinandertreffen mit seinem Amtsnachfolger Robert Habeck (Grüne) im Sommer 2012 erinnerte, als sich beide in einer Seehundstation im schleswig-holsteinischen Friedrichskoog einfanden. Altmaier war damals Bundesumweltminister, doch sein Amtskollege aus Schleswig-Holstein ließ ihm beim Seehundefüttern keine Chance und habe den Eimer Heringe verfüttern wollen, ehe er zum Zuge kam, erinnerte sich Altmaier. Eine Anekdote, an die man sich vielleicht noch erinnern wird, sollte Habeck den Koalitionspartnern demnächst die Show stehlen. Christian Lindner (FDP) hatte bei der Übergabe des Finanzministeriums durch den bisherigen Minister Olaf Scholz dazu nur begrenzt Gelegenheit. Der Livestream aus dem Finanzministerium war zunächst unterbrochen.