Devisenmärkte

Schwach, schwächer, Yen

Der Yen ist schwach und notiert gegenüber dem Dollar auf dem niedrigsten Stand seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Interventionen allein werden der Währung nicht wieder auf die Beine helfen.

Schwach, schwächer, Yen

Schwach, schwächer, Yen

Japans Währung ist auf den tiefsten Stand seit 34 Jahren gefallen. Am Markt werden Interventionen vermutet. Aber Stützungskäufe allein werden nicht reichen.

Von Kai Johannsen, Frankfurt

Warum ist der Yen so schwach? Weil die Investoren ihn verkaufen. Und warum verkaufen die Investoren den Yen? Weil er so schwach ist. Die Erklärung für die Schwäche des Yen ist offenkundig relativ einfach. Den Yen zu verkaufen ist in den vergangenen Jahren – mit phasenweiser Unterbrechung – für Investoren an den weltweiten Devisenmärkten ein gutes Geschäft gewesen. Yen verkaufen lohnte sich, denn damit war gutes Geld zu verdienen. Im Ergebnis landete die japanische Währung in diesem Jahr auf dem tiefsten Stand seit 34 Jahren, also seit April 1990. Damit entstand eine Entwicklung, die sich am besten mit der „self-fulfilling prophecy“, der selbsterfüllenden Prophezeiung, beschreiben lässt: Der Yen wird verkauft, weil er schwach ist und weil man damit rechnet, dass er noch schwächer wird. Das drückt den Yen weiter, das Geschäft geht auf und ruft die nächsten Spekulanten auf den Plan. Es entsteht eine Abwärtsspirale, die profitabel ist für all diejenigen, die verkaufen. Die Short-Positionen auf den Yen erreichten Ende April den höchsten Stand seit 2007. Das zeigt klar, wie offenkundig der Markt gegen den Yen positioniert ist.

Ende April dieses Jahres wurde an den Märkten dann auch immer mehr darüber spekuliert, dass es nun seitens der Bank of Japan und japanischen Geldhäusern zu einem Eingreifen von offizieller Seite kommen müsste. Bei knapp über 160 Yen für einen Dollar war es dann so weit: Der Yen wertete auf, es wurden Interventionen vermutet. Eine offizielle Bestätigung hierfür seitens der Währungsverantwortlichen gab es zwar nicht. Am Markt wird trotzdem sehr stark angenommen, dass zugunsten der eigenen Währung interveniert wurde. Bei 160 Yen je Greenback scheint für die Notenbank und das Finanzministerium wohl die Schmerzgrenze erreicht zu sein, ab der man die Schwäche der eigenen Währung offenbar nicht mehr länger hinnehmen will.

Importierte Inflation

Oft genug hatte Japans oberster Währungsdiplomat Masato Kanda mit Blick auf die anhaltende Yen-Schwäche erklärt, dass man diese nicht hinnehmen werde. Über die damit importierte Inflation – Japan braucht Rohstoffe und Vorprodukte – würden private Haushalte und die Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen. Kanda, Vize-Finanzminister für internationale Angelegenheiten, bestätigt die etwaigen Eingriffe am Markt bis heute nicht. Analysten gehen aber davon aus, dass es sich um Stützungskäufe zur Stärkung der eigenen Währung gehandelt hat. Obwohl es nicht offiziell ist, gibt es sehr starke Hinweise darauf, dass interveniert wurde, heißt es am Markt.

Japans Notenbank-Chef Kazuo Ueda hatte nach der Zinssitzung im April erklärt, dass die Zinspolitik der Bank of Japan (BoJ) nicht direkt auf die Wechselkursbewegungen abziele, obgleich Wechselkursschwankungen erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben könnten. Die Währungshüter hatten sich im März einen Ausstieg aus dem Konjunkturprogramm vorgenommen und zum ersten Mal seit 17 Jahren die Leitzinsen erhöht. Damit vollzog die BoJ als letzte große Zentralbank die Zinswende nach oben – nach einem jahrelangen Niedrigzins.

Zuletzt hat Japan im Jahr 2022 an den internationalen Devisenmärkten zugunsten der eigenen Währung interveniert. Drei Mal sollen die Währungshüter seinerzeit eingegriffen haben. Das war im September und dann abermals im Oktober 2022. Seinerzeit war der Yen zum Dollar auf 152 Yen abgerutscht, was zu jenem Zeitpunkt der tiefste Stand seit 32 Jahren war. Schätzungen zufolge hatten die Behörden für die Stützungsschritte umgerechnet fast 61 Mrd. Dollar ausgegeben. In diesem Jahr hatte der Yen zeitweise mehr als 11% an Wert gegenüber dem Greenback verloren. Auch gegenüber anderen Währungen präsentiert sich die Währung in schwacher Verfassung.

Zinssituation verschärft den Druck

Schwach ist die Währung aber nicht nur wegen des Momentums, sondern auch wegen der Zinssituation. Das Momentum und die Zinssätze sind sehr starke Kräfte auf den Devisenmärkten. Und beide sind derzeit gegen den Yen gerichtet. Die Bank of Japan beließ die kurzfristigen japanischen Zinssätze im April zwischen 0 und 0,1% und deutete auch nicht an, dass es kräftige oder kontinuierliche Zinserhöhungen geben wird. Dadurch ist der Yen die G10-Währung mit dem niedrigsten Zinssatz. Man kann sich also gut im Yen verschulden und das Geld sehr viel höher rentierlich in einer anderen Währung anlegen, so etwa im Dollar. Dort sind je nach Marktsituation im zehnjährigen Bereich rund 400 Basispunkte mehr zu verdienen gewesen. Der Kapitalabfluss aus Japan schwächt die Währung und stärkt den Dollar, wenn in dieser Währung es eben zur Kapitalanlage kommt.

Doch was kann den Prozess umkehren und damit den Yen wieder stärken? Zum einen müssen die Japaner ihren Worten, also Androhungen von Interventionen, auch Taten folgen lassen. Diese müssen dergestalt sein, dass die Märkte auch überzeugt sind – kein leichtes Unterfangen, wenn sich die Währung auf dem tiefsten Stand seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts befindet. Aber Drohungen allein bringen es eben nicht fertig, die Währung zu stärken.

Kapital benötigt

Zum anderen können Zinserhöhungen helfen, wenn die Wirtschaft genau das eben auch zulässt. Mit höheren Zinsen verringert sich die Zinsdifferenz zu anderen großen Währungsräumen wie den USA oder der Eurozone. Das sorgt nicht nur dafür, dass weniger Kapital aus Japan abgezogen wird, sondern kann die zinsinduzierten Kapitalströme auch umkehren. Anlagen in Japan erfordern Yen-Käufe, womit die Währung letzten Endes gestärkt wird. Und japanische Aktien etwa gelten vielen Analysten derzeit als attraktiv. Jahrelange Fehlallokationen von Kapital bei japanischen Unternehmen haben laut Experten ihr Ende gefunden. Auch Shareholder Value wird heute in Japan gelebt.

Das alles kann Kapital anziehen. In Verbindung mit höheren Zinsen sollte das auch zu einem nachhaltigen Kapitalzustrom führen, der die Währung dann stärkt. Aber dies ist ein langer Prozess. Die Währung Japans hat noch viel Aufwertungspotenzial vor sich.

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