Notiert inNew York

Schwarzfahrer bringen New Yorker Verkehrsgesellschaft in Nöte

New Yorks Verkehrsbehörde schlittert auf ein gewaltiges Finanzierungsloch zu. Mitschuld daran haben die fast eine Million Schwarzfahrer, die jeden Tag die Busse der Metropole nutzen – der Betreiber muss sich dabei aber auch an die eigene Nase fassen.

Schwarzfahrer bringen New Yorker Verkehrsgesellschaft in Nöte

Notiert in New York

Verkehrsgesellschaft in Nöten

Von Alex Wehnert

Wer an der New Yorker Haltestelle 231 St/Tibbett Avenue auf Busse der Linien Bx7 oder Bx10 wartet, sollte seine persönlichen Angelegenheiten vorher besser geregelt haben. Denn bis hier ein transportfähiger Untersatz auftaucht, dürften viele Reisende längst an Durst und Hunger dahingesiecht sein. Der Blick auf die Anzeigetafel hilft auch nicht weiter: Das Feld, das die Dauer bis Ankunft der nächsten Bx7 signalisieren soll, ist blank, während jenes für die Bx10 konstant auf 18 Minuten steht und damit an die Schilder erinnert, die so mancher deutsche Wirt gerne vor seiner Kneipe aufstellt und auf denen es immerzu heißt: „Morgen Freibier!“

Wilder Ritt durch die Bronx

Und selbst wenn sich ein Bus nähert und sich die Wartenden überzeugt haben, dass es sich bei dem Gefährt um keine von körperlichen Entbehrungen hervorgerufene Halluzination handelt, ist mit der Gefahr für Leib und Leben noch nicht Schluss. Denn wer in der oft völlig überfüllten Bx10 keinen Sitzplatz ergattert, sollte sich mit Schiffstauen an den Haltestangen festknoten, sonst droht ihm auf dem wilden Ritt durch die hügelige Bronx schnell unliebsam nahe Bekanntschaft mit der Windschutzscheibe.

Eine Million Schwarzfahrer

Viele New Yorker sind nicht gewillt, für einen solchen Verkehrsservice auch noch 2,90 Dollar pro Fahrt zu bezahlen. Zahlreiche Einwohner sehen sich gerade in den äußeren Stadtteilen zwar gezwungen, auf die Busse zurückzugreifen – sparen sich das Ticket aber einfach. Pro Wochentag sind in New Yorker Bussen laut Statistiken der Verkehrsbehörde MTA fast eine Million Menschen ohne Karte unterwegs, also rund jeder zweite Passagier. Im Jahr 2018 waren es noch 18%, im Vergleich zu Metropolen wie Paris bereits ein sehr hoher Wert. Auch in der New Yorker U-Bahn, die ein doppelt so hohes Fahrgastaufkommen wie das Bussystem erreicht, flankt der ein oder andere zwar gern über das Drehkreuz, der Anteil der Schwarzfahrer fällt mit 14% aber niedriger aus. Dies liegt auch daran, dass Polizei und Sicherheitspersonal deutlich präsenter sind, während Busfahrer häufig mit teils gewaltbereiten Passagieren alleingelassen werden.

Massive Verluste

Bereits 2022 verursachte Schwarzfahrerei in Bussen der MTA Verluste von 315 Mill. Dollar, durch Ticketvermeidung in U-Bahnen 285 Mill. Dollar. Bis 2028 droht der Verkehrsbehörde nun ein Budgetloch von fast 1 Mrd. Dollar. Zudem brechen der MTA eingeplante Mittel von mindestens 15 Mrd. Dollar weg, nachdem New Yorks Gouverneurin Kathy Hochul eine Innenstadtmaut im Juni gekippt hatte. Das Verkehrssystem schlittert damit auf eine tiefe Krise zu. Die meist diskutierte Lösungsmöglichkeit – mehr Kontrollen in Bussen – ist politisch umstritten, da sie für arme und ältere Bürger zusätzliche Belastungen bedeuten und ein höheres Risiko gewalttätiger Konfrontationen bergen würde. Vielleicht ließe sich aber auch der völlig verrückte Vorschlag prüfen, das Bussystem durch eine effizientere Fahrtenplanung aufzuwerten und somit mehr zahlungsbereite Passagiere anzuziehen – selbst an der Haltestelle 231 St/Tibbett Avenue.

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