Schwierige Gemengelage
Aktienmarkt
Schwierige Gemengelage
Von Tobias Möllers
Gerade in schwachen Börsenmonaten wie August und September sollten Anleger weitere Rücksetzer einkalkulieren.
Zuletzt hat der August seinem Ruf als schwieriger Börsenmonat alle Ehre gemacht. Dies ist zum einen inzwischen fast zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung geworden, zum anderen aber auch auf einige fundamentale Gründe zurückzuführen. Bis Ende Juli hatte sich der deutsche Leitindex schließlich mehr als respektabel geschlagen, markierte bei knapp 16.529 Punkten sogar ein Allzeithoch. Seit seinem Tief aus dem September 2022 bei 11.862 Zählern hat der Dax damit um fast ein Drittel aufgewertet. Allein im ersten Halbjahr 2023 gab es ein Plus von 16%. Andere Indizes standen dem nicht nach – ganz im Gegenteil: Der Nikkei legte im ersten Halbjahr um 29% zu, der Nasdaq – angetrieben vom haussierenden Tech- und KI-Sektor – sogar um 32%. Doch keine Rally ohne Ende.
Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen: Der nicht enden wollende Angriffskrieg auf die Ukraine ist wohl noch die kleinste Belastung für die Aktienmärkte. Schwerer wiegt die quälend langsam zurückgehende Inflation im Zusammenspiel mit den Notenbanken, die sich zur Abwehr zu immer weiteren Leitzinserhöhungen gezwungen sehen, welche sich dann wiederum negativ auf die Finanzierung und die Gewinne der Unternehmen auswirken.
Besonders in Deutschland kommt außerdem eine stark lahmende Konjunktur hinzu. Während alle anderen Industrieländer zumindest mäßig wachsen, wird in Deutschland am Jahresende wohl ein Minus verzeichnet, und zwar eines, das in den Augen von Analysten quasi wöchentlich größer wird. Konjunkturzahlen aus dem Ausland zeigen zudem, dass sowohl eine schwache wie auch eine starke Konjunktur Gift für die Märkte sein kann: Aktionäre bedrückt zum einen die schwache chinesische Konjunktur, zum anderen aber auch die starke amerikanische – könnte Letztere doch weitere Leitzinserhöhungen heraufbeschwören, nachdem Anleger eigentlich davon ausgegangen waren, dass der Höhepunkt erreicht ist, und sich sogar erste Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen machten. Größere Sorgen macht aber China: Die schon seit dem letzten Jahr schwelende Immobilienkrise ist alles andere als gelöst, vielmehr droht sie die gesamte Wirtschaft im Reich der Mitte in die Tiefe zu ziehen. Auf Wachstumsimpulse vom Exportweltmeister sollte man jedenfalls vorerst nicht hoffen.
Außerdem enttäuschten zuletzt auch einige Unternehmensergebnisse. Zwar überwiegt die Zahl der positiven Überraschungen noch immer die der negativen, doch der Abstand wird kleiner. Und ernüchternde Zahlen wie kürzlich bei Siemens Energy oder auch bei Sartorius wurden an den Märkten mit deftigen Abschlägen bestraft. Auch sind Aktien inzwischen nicht mehr konkurrenzlos, da nun auch Anleihen wieder passable Renditen bei überschaubaren Risiken bieten. Dass die Aktienmärkte im August nach einem Leitzinsanstieg, wie es ihn, sowohl was Ausmaß wie auch Tempo angeht, seit Jahrzehnten nicht gegeben hat, also zu Korrekturen ansetzen, ist absolut nachvollziehbar. Irgendwann ist das Potenzial ausgereizt. Auch beim Dax. Das Allzeithoch ist nun vorerst außer Sicht geraten.
Wie geht es weiter? Die Gemengelage bleibt schwierig. Es gibt durchaus Anreize, jetzt in den Aktienmarkt einzusteigen oder seine Aktienquote zu erhöhen: Nvidia, die als einer der größten Profiteure des KI-Hype gelten, konnten mit ihren jüngsten Zahlen am Markt überzeugen. Nach einem Vorjahresgewinn von 0,51 Dollar je Aktie stieg dieser im zweiten Quartal 2023 auf stolze 2,70 Dollar. Analysten hatten "nur" mit 2,08 Dollar gerechnet. Das spricht dafür, dass Big-Tech-Unternehmen wie Alphabet, Amazon, Apple, Microsoft, Tesla und eben auch Nvidia die Märkte weiter antreiben werden, wie sie dies im ersten Halbjahr schon getan haben.
Auch deutsche und europäische Aktien bieten Chancen, sind sie doch im Vergleich zu amerikanischen Papieren historisch günstig bewertet. Perfekte Zutaten also für eine Herbstrally? Das wird sich zeigen müssen. Gerade in den schwierigen Börsenmonaten August und September sollten Anleger weitere Rücksetzer einkalkulieren. Denn nicht nur in Jackson Hole, wo die US-Notenbanker zu ihrem jährlichen Treffen zusammenkommen, können Spielverderber lauern.