Schwierige neue Welt
Tief ist der Sturz des einstmals als solide, wenn auch langweilig eingeschätzten Südzucker-Konzerns. Ergebnisse und Aktienkurs des MDax-Unternehmens sind kollabiert. Der Wert, der in besseren Zeiten nach Marktkapitalisierung mit Dax-Gesellschaften mithalten konnte und nur wegen des geringen Streubesitzanteils (38 %) und mangelnder Umsätze an der Börse nie zum engeren Kreis der Aufstiegskandidaten zählte, hat seit seinem Kurshoch im März 2013 zwei Drittel eingebüßt und ist nur noch 2,55 Mrd. Euro schwer. Das operative Ergebnis wird laut der Prognose im Geschäftsjahr 2015/16 (Ende Februar) auf 50 bis 150 Mill. Euro fallen. 2012/13 waren es noch 974 Mill. Euro.Gerade einmal zwei Jahre ist es her, da brachte Südzucker fast 7 Mrd. Euro auf die Börsenwaage. Die Gruppe hatte 2012/13 von einem sprunghaften Anstieg des Zuckerpreises auf dem Weltmarkt profitiert, obgleich sie Geschäfte vor allem im stark regulierten EU-Markt macht. Doch schon im Herbst 2012 begann die Wachstumskurve zu verflachen. Daher versuchte Vorstandschef Wolfgang Heer bereits bei der Bilanzvorlage im Mai 2013 den verbreiteten Optimismus zu zügeln und warnte: “Außergewöhnlich erfolgreiche Geschäftsjahre wecken leicht die Erwartung, dass es nur nach oben geht.” Der verhaltene Ausblick war damals für viele Anleger und Analysten eine Überraschung. Tatsächlich war 2012/13 ein “Ausnahmejahr”, wie Heer immer wieder betont.Knüppeldick kam es danach für das Mannheimer Unternehmen: Ein Vergleich mit dem Bundeskartellamt wegen angeblicher Absprachen mit den Rivalen Nordzucker und Pfeifer & Langen kostete 196 Mill. Euro; mehrere Kunden klagen derzeit auf Schadenersatz wegen überhöhter Preise. Schließlich brach auch noch der Preis für Ethanol ein, was die börsennotierte Tochter Cropenergies – eines von vier Konzernsegmenten – in die roten Zahlen trieb. Strategisch ist die größte Herausforderung aber das sich nähernde Ende der Abschottung des EU-Zuckermarktes vom Rest der Welt. Zucker, das Kernsegment der Gruppe, machte im Geschäftsjahr 2013/14 – für 2014/15 liegen noch keine detaillierten Zahlen vor – noch rund die Hälfte des Umsatzes und zwei Drittel des operativen Gewinns aus. Doch Ende September 2017 läuft die Zuckermarktordnung (ZMO) aus.Die ZMO reguliert den europäischen Markt bislang strikt über Produktionsquoten, Einfuhrzölle und Subventionen. Sie diente dem Schutz der EU-Hersteller vor Importen, etwa aus Brasilien, dem bedeutendsten zuckerproduzierenden Land, wo das Nahrungsmittel aus Zuckerrohr statt wie in Europa aus Zuckerrüben gewonnen wird. Die Herstellung von Rohrzucker verursacht jedoch weniger als die Hälfte der Kosten, die in der EU bei Rübenzucker anfallen. Hiesige Anbieter müssen sich also auf scharfen Konkurrenzkampf einstellen. Klar ist: Von Herbst 2017 an wird Zucker in der EU deutlich billiger sein. Das zeigen auch die anhaltend niedrigen Preise auf dem Weltmarkt an. Zucker kostet heute so viel wie vor Beginn der letzten Hausse im Frühjahr 2009 und mehr als 60 % weniger als beim Rekordhoch – ein Menetekel, zweieinhalb Jahre vor Öffnung des Binnenmarktes. Auch diese Korrektur trug ihren Teil zum Ergebniseinbruch bei Südzucker bei.Trotz der schwachen Geschäftsentwicklung und den düsteren Aussichten ist Kritik am Management unangebracht. Schon länger engagierte Aktionäre, die mit den sinkenden Gewinnen und der Kursentwicklung unzufrieden sind, hätten frühzeitig aussteigen können. An der Börse wird nicht geklingelt, wenn es gilt, den richtigen Zeitpunkt zum Ein- oder Ausstieg zu erwischen. Doch Südzucker-Chef Heer hatte vor zwei Jahren sogar die Glocke geläutet für all diejenigen, die kein Ende des damaligen Hypes am Zuckermarkt sehen wollten und die Belastungen durch das Auslaufen der ZMO unterschätzten. Der Großaktionär (52 %) darf sich ohnehin nicht beschweren: Hinter der Süddeutschen Zuckerrübenverwertungs-Genossenschaft stehen vor allem Bauern, die ihre Rüben an Südzucker verkaufen. Sie profitieren bis heute von Mindestpreisen und Produktionsbeschränkungen. Diese Regelungen beschneiden erheblich die Handlungsfreiheit des Vorstands.Südzucker wird dank der leistungsfähigen Fabriken, die in den wettbewerbsfähigsten Rübenanbaugebieten Europas stehen, und ihrer Marktführerschaft (EU-Anteil: 24 %) gestärkt aus der Konsolidierung hervorgehen. Der Konzern wird dann von Megatrends wie der wachsenden Weltbevölkerung, steigenden Einkommen, besonders in Schwellenländern, und zunehmendem Bedarf an Lebens- und Futtermitteln sowie Energie profitieren. Bis dahin ist aber Geduld nötig.——–Von Martin DunzendorferZucker ist auf dem Weltmarkt so billig wie seit sechs Jahren nicht mehr. Für Südzucker ist das zweieinhalb Jahre vor Öffnung des Binnenmarktes ein Menetekel.——-