Schwitzen für die Klimawende
Es wird ein heißer Sommer – jedenfalls im Bundeswirtschafts- und Klimaschutzministerium und womöglich für weite Teile des Berliner Lobbybetriebs. Die Ursache ist nicht die besorgniserregende Lage der Energieversorgung hierzulande. Seit Deutschland nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine danach strebt, unabhängig von Energielieferungen des Aggressors zu werden, herrscht Nervosität. Die Sorge geht um, der Kreml könnte von sich aus den Energiehahn zudrehen. Ressortminister Robert Habeck (Grüne) sucht akribisch nach alternative Energiequellen.
Diesen Sommer geht es aber um etwas ganz anderes. Ein breites Bündnis aus Wirtschafts-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden, den Sozialpartnern und Kommunen hat auf Betreiben Habecks zum Energiesparen aufgerufen. Da heißt es, mit gutem Beispiel voranzugehen. Habeck lässt die Kühlung im Ministerium abschalten, um Energie zu sparen. Dort, wo dies technisch oder aus Gründen des Arbeitsschutzes nicht möglich ist, wird der Sollwert der Temperatur von 22 auf 26 Grad erhöht.
So krachend kalt es im Winter in Berlin sein kann, so ordentlich warm kann es im Sommer werden. 2021 war Berlin das heißeste Bundesland. Die Durchschnittstemperatur erreichte 19,9 Grad. Sie lag damit laut Deutschem Wetterdienst über dem deutschen Mittel von 17,9 Grad. So moderat das klingt, in der Spitze waren die Temperaturen hoch. Am 19. Juni kletterte das Thermometer in Berlin-Tempelhof auf 36,6 Grad. Wenn die schwitzenden Beamten in diesem Sommer womöglich vor Hitze nicht mehr klar denken können, erfüllt dies aber immerhin einen guten Zweck: 40% Energie zur Kühlung der Räume oder rund 50000 kWh kann die Habeck-Behörde dadurch einsparen. Dies ist entspricht ungefähr dem Jahresstromverbrauch von zehn vierköpfigen Familien.
Wäre das Ministerium eine Schule, hätten die Beamten gute Chancen auf Hitzefrei. Lerneifrige Kinder können schon bei 27 Grad vom Denken verschont werden und dürfen früher am Tag ins Freibad. Dann darf die Schulleitung handeln. Die Vorgaben sind unterschiedlich in den Bundesländern. Die Berliner Schulen waren vor 15 Jahren noch bundesweit Spitzenreiter bei Hitzefrei. Inzwischen geht es streng zu. Der Unterricht soll zudem nur noch den „Witterungsverhältnissen“ angepasst werden. Die Berliner Schüler üben damit früh für spätere Ministerialdienste: Arbeitsrechtlich müssen erst 35 Grad in Räumen gemessen werden, bevor die kritische Grenze erreicht ist. Hitzefrei winkt aber auch dann nicht, wenn kühle Getränke geboten werden oder Sommershorts erlaubt sind.
Apropos Freibäder: Dort heizen die Berliner Bäderbetriebe die Becken in dieser Saison aus Energiespargründen weniger stark auf. Die Wassertemperatur soll um zwei Grad unter den sonst üblichen 22 bis 24 Grad liegen. Im April bei Saisonstart war das ungemütlich. Im Sommer wird das kühle Nass umso erfrischender sein, je größer der Swing zwischen Büro- und Schwimmbadtemperatur ist. Am Ende springt der Berliner aber doch am liebsten in einen der unbeheizten Seen mitten in der Stadt.