Notiert inFrankfurt

Kaum Lärm um viel

Hype, welcher Hype? Mit der erst kürzlich entzifferten „Silberinschrift“ zeigt das Archäologische Museum in Frankfurt einen Sensationsfund. Und macht darum erstaunlich wenig Tamtam.

Kaum Lärm um viel

Notiert in Frankfurt

Kaum Lärm um viel

Von Lutz Knappmann

Zu sagen, das Museum mache um sein spektakulärstes Ausstellungsstück nicht allzu viel Aufhebens, ist eine milde Untertreibung. Ein eiskalter Wintersamstag in der Frankfurter City. Eine Handvoll Besucher wartet an der Kasse des Archäologischen Museums. Es herrscht gemächlicher, flüsterleiser Ausstellungsalltag. Kurz keimen Zweifel auf: Ist das hier wirklich der Ort, an dem erstmals die größte archäologische Sensation der jüngeren Vergangenheit ausgestellt ist? Jene „Frankfurter Silberinschrift“, derentwegen die Geschichte des Christentums nördlich der Alpen umgeschrieben werden muss?

Ja, ist es tatsächlich. Und nach etwas Suchen findet sich schließlich auch die gläserne Vitrine (kleiner Tipp: genau in der Mitte des großen Ausstellungsraums im Erdgeschoss), in der das früheste Zeugnis christlichen Glaubens liegt, das in dieser Region jemals gefunden wurde.

Ältestes christliches Zeugnis nördlich der Alpen

Vor rund sechs Jahren entdeckten Archäologen bei Ausgrabungen im Frankfurter Nordwesten, auf dem einstigen Areal der römischen Stadt Nida, ein unscheinbares, kaum dreieinhalb Zentimeter großes Silberamulett. In dessen Inneren verborgen: Eine dünne Silberfolie, so filigran, dass sie nicht ausgerollt werden kann, ohne Schaden zu nehmen. Weshalb es Wissenschaftlern erst 2024 gelang, mithilfe eines Computertomografen den in die Folie eingeritzten lateinischen Text zu entziffern.

Und die 18 Zeilen der Inschrift offenbaren eine Sensation: ein christliches Bekenntnis, entstanden zwischen 230 und 260 nach Christi Geburt – und damit mindestens 50 Jahre älter als alle bisher bekannten Funde westlich des Rheins. Die Frankfurter Silberinschrift sei daher „eines der bedeutendsten Zeugnisse des frühen Christentums weltweit“, konstatiert das Frankfurter Museum.Nicht nur die archäologische Fachwelt überschlug sich vor Begeisterung ob der Entdeckung. Stolz notiert die Stadt Frankfurt auf ihrer Website, dass seither rund um die Welt mehr als 400 Berichte in 29 Sprachen erschienen sind, zudem zahllose Fernseh- und Videobeiträge, die sich mit der „Sensation“ und dem „außergewöhnlichen Fund“ beschäftigen. Der Beginn eines einzigartigen Archäologie-Hypes?

Unaufgeregt in die Dauerausstellung integriert

Au contraire! Frankfurts Archäologisches Museum hat die Silberinschrift schlicht und ziemlich unaufgeregt in den passenden historischen Kontext seiner Dauerausstellung einsortiert. Eine beleuchtete Tafel mit Erläuterungen, ein Verweis auf eine Video-Dokumentation, das war’s. Kein dedizierter Ausstellungsraum, keine expliziten Wegweiser, keine Sonderführungen. Bewundernswertes Understatement, gemessen am Tamtam, mit dem anderenorts schon weitaus weniger bedeutsame Fundstücke vermarktet werden.

Zwar meldet das Museum steigende Besucherzahlen. Doch bislang können die Archäologie-Interessierten das Silberamulett ohne Mona-Lisa-Gedränge in Ruhe betrachten. Und sich vergegenwärtigen, welche Zeitläufte dieses winzige, filigrane und doch so bedeutende Artefakt in den vergangenen 1800 Jahren überdauert hat.