Macht der Technologiekonzerne

Showdown Under

Dass ausgerechnet der fünfte Kontinent, der mit seinen rund 25 Millionen Einwohnern rein zahlenmäßig ein Leichtgewicht in der globalen Internet-Community ist, es wagt, einem Klotz wie Facebook die Stirn zu bieten, weckt auf den ersten Blick...

Showdown Under

Dass ausgerechnet der fünfte Kontinent, der mit seinen rund 25 Millionen Einwohnern rein zahlenmäßig ein Leichtgewicht in der globalen Internet-Community ist, es wagt, einem Klotz wie Facebook die Stirn zu bieten, weckt auf den ersten Blick Assoziationen vom Kampf Davids gegen Goliath. Aber der Vergleich hinkt. Australien tritt im Gegensatz zu David keineswegs in leichter Rüstung an. Das Land zählt nicht nur zu den 20 größten, sondern laut Index der wirtschaftlichen Freiheit auch ausdrücklich zu den liberalsten Volkswirtschaften der Erde. Dass die dortige Regierung dennoch mit harten regulatorischen Schritten und Eingriffen in das Geschäft von Internetriesen wie Facebook oder Google vorgeht, ist ein Zeichen, das im Rest der Welt Wirkung zeigt. Bezeichnenderweise kommen Solidaritätsadressen aus zahlreichen Ländern des Commonwealth – die Restanten des British Empire zeigen historische Verbundenheit. Kanada und Großbritannien haben bereits angekündigt, ähnliche Schritte wie Australien in Erwägung zu ziehen.

Facebook, die im Kampf gegen das australische Mediengesetz den Zugang zu Nachrichtenseiten auf ihrer Plattform für australische Nutzer gesperrt hat, trommelt für das „freie Internet“ – ein stets wohlklingendes Mantra – fürchtet tatsächlich aber einen empfindlichen Schlag gegen ihr eigenes Geschäftsmodell. Denn die Auflage, Werbeerlöse, die durch Clicks auf mediale Inhalte generiert werden, mit den originären Inhalteproduzenten, also den Verlagen, zu teilen, könnte den Konzern teuer zu stehen kommen – wenn ein solches Gesetz globale Nachahmer findet. Die Sorge vor einem Flächenbrand hat bereits erkennbar einen Keil in die Branche getrieben, die bisher eng zusammenstand, wenn es galt die Grundlagen der Daten- und Plattformökonomie gegen Eingriffe zu verteidigen. Google, die ebenfalls von der geplanten Gesetzgebung in Australien betroffen ist, hat die Flucht nach vorn angetreten und schon eine Vereinbarung mit News Corp unterzeichnet.

Der Suchmaschinenkonzern will damit einer noch weitergehenden staatlichen Einmischung zuvorkommen – nicht von ungefähr. Denn die Kriegsrhetorik in Down Under, bei der Kritiker Facebook vorwerfen, der Konzern habe mit der Sperre australischer Medien die „Nuklearoption“ gewählt, lässt anklingen, dass es hier um einen Entscheidungskampf geht, bei dem Facebook gleich zum letzten Mittel greift. Damit gerät die Angelegenheit plötzlich weit über ihren Ursprung hinaus. Es geht nicht mehr „nur“ um einen fairen Interessenausgleich zwischen klassischen Medien und Internetriesen, um den auch in Europa im Hinblick auf die Ausgestaltung der neuen Urheberrechtsrichtlinie gerungen wird. Vielmehr führt die „Atombombe“ von Facebook Politik und Behörden weltweit erneut eindrucksvoll vor Augen, wie der Plattformriese die Art und Weise der Kommunikation und den Medienkonsum von Milliarden von Menschen beherrscht.

Es ist diese Machtfülle, die der Konzern ebenso wie Twitter vor kurzem bereits demonstriert hat, als der Account von Ex-US-Präsident Donald Trump über Nacht gesperrt wurde, die mittlerweile sogar im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Rufe nach einem Eingreifen des Staates laut werden lässt. Während die Behörden nun in vielen Ländern mit dem Säbel rasseln, sind konkrete Schritte indes nicht leicht umzusetzen. Auch gleich die „Nuklearoption“ zu ziehen und eine Zerschlagung der mächtigen Konzerne ins Auge zu fassen, ist kurzfristig kein gangbarer Weg. Das Kartellrecht als solches hat sich ohnehin als untauglich erwiesen, die Machtfülle der Tech-Riesen zu kontrollieren. Dennoch kann sich der Staat im Umgang mit den Unternehmen nicht das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen. Dazu dürfte ein Mindestmaß an internationaler Abstimmung unverzichtbar sein. Um schneller voranzukommen, ist es dabei durchaus denkbar, dass im Einzelfall eine nationale Gesetzgebung – wie etwa das australische Mediengesetz – als Blaupause für ein globales Rahmenwerk dient, das dann auch andernorts angewendet wird. Die Regierung in Down Under macht Anstalten, diesem Anspruch gerecht zu werden. Der Showdown steht allerdings noch aus. Facebooks tatsächliche Nuklearwaffe ist eine gigantische Nutzerbasis, die von einer über Jahrzehnte im Internet etablierten Kostenloskultur verwöhnt ist. Jede Regulierung, die hier die Axt anlegt, wird nicht nur Jubel auslösen, sondern auch vielstimmige Empörung unter zahlreichen kleinen Internetfirmen, die keine prall gefüllte Kasse haben. Die Crux ist, dass jede Regulierung auch für sie gelten muss.