Im BlickfeldSofortzahlungen verstärken Liquiditätsdruck

Siegeszug von Instant Payment bedroht US-Finanzstabilität

Amerikas Geldhäuser ringen mit verstärktem Liquiditätsdruck. Nun wecken der Siegeszug von Instant Payments in den USA und ein neues Zahlungssystem der Fed Sorgen vor beschleunigten Bank Runs.

Siegeszug von Instant Payment bedroht US-Finanzstabilität

Im Blickfeld

Die Angst vor dem Geldabfluss

Amerikas Geldhäuser ringen mit verstärktem Liquiditätsdruck. Nun wecken der Siegeszug von Instant Payments in den USA und ein neues Zahlungssystem der Fed Sorgen vor beschleunigten Bank Runs.

Von Alex Wehnert, New York

Mit dem Slogan „Zeit ist Geld“ treibt die Federal Reserve eines ihrer ambitioniertesten Innovationsprojekte seit Jahrzehnten voran. Der Sofortzahlungsservice „Fed Now“ ist im Juli 2023 an den Start gegangen und soll eine „sichere und effiziente Infrastruktur zur Modernisierung des US-Payment-Systems schaffen“, wie es bei der Notenbank heißt. Die angeschlossenen Geldhäuser sollen Transaktionen damit an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr abwickeln können, was Komplikationen im Verkehr zwischen Finanzinstituten abbauen, die Transparenz im Zahlungsverkehr erhöhen und den Zugang von Bankkunden zu Liquidität verbessern soll. Doch Kritiker befürchten, dass der Siegeszug von Instant Payments Gefahren für die Finanzstabilität heraufbeschwört.

Hinter EU zurückgefallen

In den Vereinigten Staaten ist die Adoption von Sofortzahlungen bisher deutlich langsamer vorangeschritten als in anderen Rechtsräumen. In der Europäischen Union beispielsweise fiel die behördliche Unterstützung in der Vergangenheit stärker aus: Die Kommission hat mit der Instant Payment Regulation ein Rahmenwerk geschaffen, mit dem es ab dem kommenden Jahr für alle Zahlungsdienstleister in der Staatengemeinschaft verpflichtend werden soll, ihren Kunden rund um die Uhr Sofortzahlungen innerhalb aller Mitgliedsländer zu ermöglichen.

Dies flankiert Brüssel durch spezifische legislative Maßnahmen wie die Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 und eine Infrastruktur, die mit dem Zahlungsverfahren SEPA Instant Credit Transfer und dem von der EZB lancierten Dienst Target Instant Payment Settlement bereits auf Einheitlichkeit ausgerichtet ist. In den USA sind zwar bereits Systeme wie das RTP Network, das die größten Geschäftsbanken des Landes über ihre Verbandsgesellschaft The Clearing House gemeinschaftlich betreiben, und ihr Endkundendienst Zelle verfügbar. Führende Zahlungsdienstleister sind allerdings nicht direkt daran angeschlossen, sondern müssen für Instant Payments über die Geldhäuser gehen.

Rapides Wachstum

Fed Now soll nun die Grundlage für eine weitere Verbreitung von Sofortzahlungen in den USA schaffen. Vertreter der Notenbank zeigen sich auf der Branchenkonferenz „Money 20/20“ in Las Vegas jedenfalls schon begeistert vom Wachstum ihres neuen Payment-Systems. „Wir haben mit 35 angeschlossenen Finanzinstituten angefangen und sind inzwischen bei über 1.000“, sagt Mark Gould, Payments-Chef der Fed, auf einer Podiumsdiskussion.

Damit hat Fed Now das 2017 lancierte RTP Network bereits abgehängt – wobei es sich wohl auch als förderlich erwiesen hat, dass die Notenbank die Teilnahmepauschale von 25 Dollar pro Monat 2024 direkt ausgesetzt hat. Ziel ist es laut Gould nun, jede der fast 4.500 Geschäftsbanken in den USA über das System zu verbinden. Der Payments-Chef setzt dabei darauf, dass nach der ersten Adoptionswelle die „Fear of Missing Out“ – die Angst, einen Trend zu verpassen – auch die restlichen Geldhäuser zum Gang auf die Fed-Plattform bewegt.

Verzögerungen mit Vorteilen

Laut Branchenkennern tun die Institute aber gut daran, nichts zu überstürzen. Bisher nutzt der Großteil das elektronische Überweisungssystem Automated Clearinghouse (ACH), in dessen Rahmen zwischen Auftrag und Abschluss einer Transaktion mitunter Tage vergehen. Die Verzögerung hat Vorteile: In der Zwischenzeit kann die Bank des Überweisungsstellers die Mittel anderweitig nutzen. Finden Instant-Payment-Lösungen jedoch weite Verbreitung, fallen dadurch nicht nur Ertragsmöglichkeiten für Geldhäuser weg – in unsicheren Phasen besteht auch die Gefahr, dass sich Bank Runs beschleunigen.

Derzeit befindet sich der Sektor nicht gerade in ruhigem Fahrwasser. Im vergangenen Jahr haben US-Finanzinstitute den radikalsten Liquiditätsschwund seit mindestens 1974 durchgemacht. Flossen ihnen zu Hochzeiten der Corona-Pandemie noch in einem solchen Ausmaß Gelder von Sparern zu, dass sie Neukunden ablehnen mussten, um die Fremdmittelquoten nicht ausufern zu lassen, veränderte die restriktive Geldpolitik der Fed ab dem Frühjahr 2022 die Lage grundlegend.

Regionalbanken in tiefer Krise

Denn in der Folge wurden die Renditen von Geldmarktfonds deutlich attraktiver als die Verzinsung auf Sparkonten. Bankkunden schichteten folglich Mittel um, die Assets von Cash-Vehikeln blähten sich auf Rekordniveaus auf. Zusätzlich lösten die Zinsanstiege massive Verluste innerhalb der Wertpapierportfolios der US-Geldhäuser aus. Mit dem Kollaps der Silicon Valley Bank, der Signature Bank und der First Republic Bank kam es im vergangenen Frühjahr binnen kurzer Zeit zu drei der vier größten Bankzusammenbrüche der amerikanischen Geschichte.

Im April 2023 sackten die gesamten US-Bankeinlagen infolge einer tief greifenden Vertrauenskrise im Sektor gegenüber dem Vorjahr um nahezu 1 Bill. Dollar ab und stagnierten in der Folge im gesamten Jahresverlauf auf gedrückten Niveaus. Die bisherige Erholung 2024 – Ende Oktober fielen die Depositen laut der Fed von St. Louis 2,83% höher aus als im Vorjahresmonat – bezeichnen Analysten angesichts der schwachen Vergleichswerte als nicht eben beeindruckend.

Der Sektor ringt nun um Liquidität und der Kampf um Depositen hat inzwischen auch die größten Häuser des Landes erfasst, die lange aufgrund ihrer schieren Größe und wahrgenommenen Stabilität einen robusten Kundenzulauf verzeichneten. So müssen selbst J.P. Morgan und Bank of America mit höheren Einlagenzinsen locken. Zugleich senkt die Fed allerdings die Zinsen, was die Ertragsmöglichkeiten der Geldhäuser aus dem Kreditgeschäft drückt.

Profitabilität unter Druck

Das lastet auf der Profitabilität: Bei J.P. Morgan bröckelte die Zinsmarge im dritten Quartal auf 2,58% ab, nachdem sie im Vorjahr bei 2,72% und im vorangegangenen Viertel immerhin noch bei 2,62% gelegen hatte. Bei Bank of America ging das Maß im dritten Quartal auf 1,92% zurück, womit es deutlich unter dem Vorjahreswert von 2,11% lag. Derweil bedroht ein potenzieller neuer Mittelabfluss regionale Geldhäuser, von denen viele auf der negativen Ausblicksliste der Ratingagentur Moody's stehen, noch deutlich stärker als die Branchenriesen – zumal die Treasury-Renditen trotz der Fed-Zinssenkungen weiter geklettert sind und der Druck auf die Wertpapierportfolios somit anhält.

Vertreter der Notenbank reagieren auf kritische Rückfragen zu dem Zahlungssystem indes äußerst schmallippig. Payments-Chef Gould, der auf der „Money 20/20“ kurz zuvor noch entspannt zurückgelehnt die Vorteile des Programms für Unternehmen und Haushalte lobte, steht mit Verweis auf seinen vollen Terminkalender plötzlich nicht mehr für Interviews zur Verfügung. Fed-Sprecher verweisen in Reaktion auf konkrete Fragen zu den systemischen Risiken von Fed Now lediglich auf öffentlich zugängliche Werbe-Webseiten für das Zahlungssystem.

Fed verweist auf Vorsichtsmaßnahmen

Bernadette Ksepka, stellvertretende Leiterin für Payment-Produkte bei der Fed von Boston, hebt in einer anderen Podiumsdiskussion Möglichkeiten hervor, den Zugang für bestimmte Kundengruppen zu begrenzen, Überweisungen in gewissen Zeitfenstern einzuschränken und Transaktionslimits zu setzen. Die Obergrenze für Zahlungen mit Fed Now ist auf 500.000 Dollar festgelegt. Zunächst ist ein Maximum von 100.000 Dollar eingestellt, das die Institute anpassen können. Die Gefahr gleichzeitiger Transfers von mehreren Konten ist damit aber nicht gebannt – ebenso wenig wie die Angst von Bankanalysten vor rapiden Mittelabflüssen.