Commerzbank

Skalpell oder Rasenmäher

Commerzbank-Chef Manfred Knof will bei der strategischen Neuausrichtung offenbar keine Zeit verlieren. Das ist nachvollziehbar, denn der langjährige Versicherungsmanager hat den Vorstandsvorsitz zu einem Zeitpunkt übernommen, an dem sein...

Skalpell oder Rasenmäher

Commerzbank-Chef Manfred Knof will bei der strategischen Neuausrichtung offenbar keine Zeit verlieren. Das ist nachvollziehbar, denn der langjährige Versicherungsmanager hat den Vorstandsvorsitz zu einem Zeitpunkt übernommen, an dem sein Handlungsspielraum gegen null geht. Nachdem das Institut mehr als ein Jahr mit lähmenden Reibereien mit seinen Großaktionären und internen Querelen vergeudet hat, gibt es niemanden mehr, der be­streiten würde, dass harte Einschnitte nötig sind, um das Institut in die Lage zu versetzen, in dem voraussichtlich weiterhin schwachen Zinsumfeld zu bestehen und den bevorstehenden Anstieg der Kreditausfälle zu bewältigen. Längst räumen das auch die Vertreter der Arbeitnehmerseite ein. Und selbst Olaf Scholz, der als Bundesfinanzminister die Interessen des größten Einzelaktionärs vertritt, hat es sich und der Öffentlichkeit vor ein paar Tagen eingestanden, obwohl er sich nun ausgerechnet als Kanzlerkandidat der SPD in der misslichen Lage sieht, dem Kahlschlag das Wort zu reden.

Spätestens seit dem Ende der Gespräche über eine Fusion mit der Deutschen Bank, die ihrerseits zigtausend Jobs gekostet hätte, steht fest, dass die Commerzbank um einen groß angelegten Stellenabbau nicht herumkommt. Gestritten wurde seither eigentlich nur noch darum, ob das Skalpell oder der Rasenmäher das geeignetere Instrument ist, um die Effizienz zu erhöhen. Die Anhänger des Rasenmähers, von denen vor einigen Monaten noch ein paar mehr im Top-Management vertreten waren, plädierten dafür, die Breite des Produkt- und Service-Angebots weitgehend unangetastet zu lassen und die Kosten mithilfe der Technik auf weniger Schultern zu verteilen. Auf das Skalpell setzten dagegen diejenigen, die jenen Teil der Geschäfte einstellen wollten, mit dem die Commerzbank weder Geld verdient noch eine realistische Hoffnung auf die Anbahnung anderer, einträglicherer Geschäfte verknüpfen kann.

Dank der Details, die das Institut nun eine Woche vor dem ersten großen Auftritt des Commerzbank-Chefs veröffentlicht hat, ist nun klar, welchem der beiden Lager Knof zugerechnet werden kann. Obschon es ungleich einfacher ist, einen Rasenmäher fachgerecht einzusetzen, greift er offenbar lieber zum Skalpell. Abzulesen ist das unter anderem an seiner Ankündigung, künftig Profitabilität vor Wachstum zu stellen, etwa wenn es um den effizienten Einsatz von Eigenkapital geht. Das kann man als Abschied von der Praxis verstehen, auf Teufel komm raus Kreditgeschäft zu schreiben, das viel Eigenkapital bindet, aber immer dünnere Margen abwirft. Gelingt es zugleich, weniger kapitalintensive aber gleichwohl gefragte Dienstleistungen wie das Cash-Management oder die Handelsfinanzierung auszubauen, kann die Commerzbank dabei ihr Profil als Partner des Mittelstands sogar noch schärfen.

Das gleiche gilt für das Auslandsgeschäft, in dem sich die Commerzbank nach eigenem Bekunden künftig vor allem auf Firmenkunden konzen­trieren will, deren Geschäft einen Bezug zum deutschen Markt haben. Statt im Ausland den Wettbewerb mit Banken zu suchen, die ihren Heimatmarkt im Zweifel doch besser beurteilen können, will sich die Commerzbank vor allem darauf konzentrieren, ihre Mittelstandskunden ins Ausland zu begleiten.

Vom Rasenmäher verschont bleiben auch die wachstumsstarke polnische Tochter MBank und das Direktbankgeschäft der im vergangenen Jahr auf den Konzern verschmolzenen Comdirect. Nachdem sich die MBank wegen des leidigen Problems der Frankenkredite als vorerst unverkäuflich erwiesen hat, bekennt sich die Commerzbank nun wieder unmissverständlich zu dem Ertragsbringer. Dieselbe pragmatische Handschrift trägt auch die Entscheidung, den Kunden der beliebten Direktbankmarke Comdirect unter dem Dach der Commerzbank auch künftig eine Heimat bieten. Strategie der Strategie halber zu betreiben, ist ganz offensichtlich Knofs Sache nicht. Schon gar nicht, wenn dabei funktionierendes Geschäft auf der Strecke bleiben würde.

Ob das alles reicht, um der Commerzbank über die lange Durststrecke zu helfen, vor welcher die deutsche Kreditwirtschaft angesichts niedriger und negativer Zinsen steht, ist ungewiss. Viel wird davon abhängen, wie schnell die Umsetzung des neuen Programms gelingt. Bemerkenswert ist jedoch, dass es dem intern vielfach unterschätzten Manager nach nicht einmal 100 Tagen im Amt gelungen ist, der Commerzbank etwas zu geben, was lange fehlte: eine Perspektive als eigenständiges Institut.