Unterm Strich

So lässt sich Putins Kriegs­kasse austrocknen

Nachdem ein Energie-Embargo gegen Russland an Widerständen in EU-Ländern scheitert, wäre eine Importsteuer auf russisches Öl und Gas der beste Weg.

So lässt sich Putins Kriegs­kasse austrocknen

Es braucht Zeit, bis kluge Gedanken die „Lähmschicht“ der alles prüfenden, filternden und bewertenden Berater überwinden und in die Köpfe von Politikern und anderen Entscheidern sickern. Bei den einen scheint das schneller zu gehen, wie bei EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis, bei den anderen scheint das länger zu dauern oder gar nicht zu funktionieren, wie bei Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz. Bei Letzterem mag es daran liegen, dass er ohnehin ungern zu erkennen gibt, was in seinem Kopf so vor sich geht und er zu tun gedenkt. Aber möglicherweise liegt es auch daran, dass Scholz’ eigene intellektuelle Firewall Vorschläge von Wirtschaftswissenschaftlern grundsätzlich aussortiert. Das wäre bedauerlich, denn zu diesen Vorschlägen gehört die kluge Idee, wie einerseits ein vor allem die EU selbst schädigendes Öl- und Gasembargo gegen Russland vermieden und andererseits die hohen russischen Energiegewinne zur Kriegsfinanzierung verhindert oder zumindest reduziert werden könnten.

Importsteuer auf Öl und Gas

Der Vorschlag, den der Harvard-Professor und ehemalige Chefökonom der Interamerikanischen Entwicklungsbank IDB, Ricardo Hausmann, schon kurz nach der Invasion Russlands in die Ukraine publiziert hat, besteht im Kern aus einer hohen Importsteuer oder Zoll auf russische Öl- und Gasimporte. Damit könnten Russlands durch den Krieg und die steigenden Preise sogar noch gestiegenen Gewinne abgeschöpft und an die Opfer des Krieges oder auch Betroffene der Energiepreissteigerungen verteilt werden. Diese Strategie, die ich an dieser Stelle bereits empfohlen habe, wäre ein guter Kompromiss zwischen einem Ölembargo der EU, gegen das sich vor allem Ungarn sperrt, sowie einem Gasembargo, gegen das sich insbesondere Deutschland ausspricht, und dem Verzicht auf Sanktionen für Energie, um die Inflation nicht noch stärker zu treiben als ohnehin schon.

Grundlage der Überlegung ist die sogenannte Steuerinzidenzlehre, die jedem Volkswirt geläufig sein sollte und die auch ein ehemaliger Bundesfinanzminister kennen sollte. Sie untersucht und erklärt, wie sich die Last einer Steuer auf Konsumenten und Produzenten verteilt. Maßgeblich hierfür ist die Nachfrageelastizität der Konsumenten und die Angebotselastizität der Produzenten. Wer „elastischer“, sprich sensibler auf Preisveränderungen reagieren kann, trägt einen geringeren Teil der Steuerlast. Im Fall einer hohen Importsteuer auf russische Energie hieße dies: Da das russische Gasangebot aufgrund der Bindung an Pipelines sehr unelastisch ist, die Abnehmer in Europa aber bei steigenden Preisen den Verbrauch zurückfahren beziehungsweise auf andere Energiequellen wie Flüssiggas, erneuerbare Energie oder zur Not Kohle ausweichen, würde die Verteuerung durch hohe Importsteuern weitgehend von den russischen Lieferanten zu tragen sein.

Vieles spricht dafür, dass das russische Gasangebot tatsächlich sehr unelastisch ist und der beschriebene Effekt eintreten würde. Denn inzwischen weiß man, dass Russland schon im vergangenen Herbst anstelle der Gasspeicher in Deutschland vor allem die eigenen Zwischenlager aufgefüllt hat, um den Gaspreis zu treiben und im Wissen um die geplante Invasion die politische Abhängigkeit Europas und vor allem Deutschlands von den Gaslieferungen hoch zu halten. Da drei Viertel der russischen Gasexporte in die EU fließen, ist die Abhängigkeit freilich gegenseitig. Denn das Gas von den Feldern, die Europa versorgen, kann nicht so einfach in andere Pipelinenetze umgeleitet werden. Und eine Unterbrechung der Förderung an der Quelle gilt als technisch anspruchsvoll und nicht einfach wieder rückgängig zu machen. Russland ist folglich aus technischen wie aus finanziellen Gründen sehr an der weiteren Gasbelieferung interessiert, auch zu Preisen, die von der Importsteuer gedrückt sind.

Öl-Embargo weniger wirksam

Etwas anders verhält es sich beim Öl. Dort hat Russland nicht so sehr wie beim Gas von den Preissteigerungen seit Kriegsbeginn profitiert. Seit Jahresende 2021, als die Preise für ein Barrel Öl noch knapp unter 80 US-Dollar lagen, und zwar bei 79 Dollar für die Sorte Brent, 77 für WTI und 76 fürs russische Urals, waren sie bis kurz vor der Invasion in die Ukraine auf 97 Dollar (Brent), 92 (WTI) und 96 (Urals) gestiegen. Aktuell werden für Brent 117 und WTI 114 Dollar bezahlt, für Urals dagegen mit 87 Dollar je Fass nur so viel wie Ende Januar. Angesichts von fixen Kosten von 2,70 Dollar und variablen Produktionskosten von knapp 6 Dollar pro Barrel wird deutlich, wie sehr Russland aktuell vom hohen Ölpreis profitiert beziehungsweise von einem umfänglichen Embargo getroffen wäre. Da aber nur die Hälfte der russischen Ölexporte in die EU gehen und ein Ausweichen zu Abnehmern wie China und Indien beim Öl leichter möglich ist als beim Gas, wäre einem Embargo durch die EU die Durchschlagskraft genommen.

Eine hohe Importsteuer auf russisches Öl, die ceteris paribus den Urals-Preis weit über Brent und WTI hinaustreiben müsste, würde gleichwohl Wirkung zeigen. Denn einerseits würden europäische Kunden kein russisches Urals-Öl kaufen, das inklusive Steuer teurer wäre als Brent, andererseits würden auch China und Indien zusätzliche Urals-Mengen aus Eigeninteresse nicht zu erhöhten Preisen abnehmen.

Preisdeckel kontraproduktiv

Völlig kontraproduktiv sind Preisdeckelungen und Subventionen, sei es für Endverbraucher, wie sie die Bundesregierung jetzt befristet vornimmt, sei es am Weltmarkt, wie sie Italiens Ministerpräsident Mario Draghi als „Käuferkartell“ vorschweben. Unabhängig davon, dass so viel Solidarität der Erdölförderländer illusorisch ist, haben beide Strategien zur Folge, dass russisches Öl künstlich verbilligt, dessen Verbrauch gefördert und der Umstieg auf alternative Energie(-quellen) verzögert wird. Das Gegenteil ist nötig.

c.doering@boersen-zeitung.de

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.