Bayerische Selbstgewissheit vor der Landtagswahl
Landtagswahl in Bayern
Selbstgewissheit in Weiß-Blau
Von Joachim Herr
Bayerns Wirtschaft ist auch im Konjunkturabschwung robust. Das hilft Ministerpräsident Markus Söder allerdings wenig.
Zumindest in den Wahlkampfbroschüren leidet das Selbstbewusstsein der CSU nicht. "In Bayern lebt es sich einfach besser", steht grün auf blau in einer Werbung für Ministerpräsident Markus Söder, die im Postkartenformat in den Briefkästen gelandet ist. An diesem Sontag wird im Freistaat wie in Hessen ein neuer Landtag gewählt. Wenn es nach Söders Partei geht, ist alles einfach und das Ziel klar: "Dass alles so bleibt, wie es ist, aber ein bisschen besser wird."
Etwas mehr als ein bisserl besser wünscht sich die CSU das eigene Ergebnis. 2018 erreichte Söders Partei gerade einmal gut 37% der Stimmen, das schwächste Ergebnis seit dem Jahr 1950. Das nagt am Selbstvertrauen. Vor 20 Jahren hatte Edmund Stoiber fast 61% für die Partei geholt. Davon ist Söder laut den Umfragen auch in diesem Jahr weit entfernt, der Stimmenanteil könnte im Vergleich mit der Wahl vor fünf Jahren sogar nochmals sinken. Die Wahrscheinlichkeit ist jedenfalls hoch, dass die CSU wie seit fünf Jahren nur in einer Koalition mit den Freien Wählern weiterregieren kann.
Wenig zu meckern
Dass es Bayern wirtschaftlich besser geht als den meisten anderen Regionen und im deutschen Durchschnitt, ist zur Gewohnheit geworden. Mit Erfolgen, die eine Selbstverständlichkeit geworden sind, lassen sich Wahlen nicht gewinnen – jedoch verlieren, wenn das Erreichte entgleitet. Solange die Wirtschaft zwischen Alpen und Spessart noch leicht wächst wie in der ersten Hälfte dieses Jahres, das Bruttoinlandsprodukt je Kopf an erster Stelle aller Bundesländer steht und die Arbeitslosigkeit im nationalen Vergleich am niedrigsten ist, bleibt die Wirtschaft als bayerisches Thema im Wahlkampf im Hintergrund. Da gibt es wenig zu meckern.
Die CSU selbst dreht den Spieß um und attackiert die Ampelregierung in Berlin – auch weil der Dreierkoalition ein überzeugendes Konzept gegen die Konjunkturschwäche und hohe Inflation sowie für die Energiepolitik fehle. Söder fordert ein Sofortprogramm für die Wirtschaft und hat die Grünen zu seinem Lieblingsgegner erkoren, die die Bürger mit Bevormundung drangsalieren wollten. Mit dieser Schelte will er in Bayern punkten. Die derzeit geringe Bedeutung der bayerischen Wirtschaftspolitik für die Wahlentscheidung verdeutlichen Zahlen aus Umfragen: Den Freien Wählern trauen nur 9% der Wahlberechtigten in Bayern am ehesten zu, die wichtigsten Aufgaben – auch für die Wirtschaft – im Freistaat zu lösen, wie Infratest Dimap im Auftrag des Bayerischen Rundfunks festgestellt hat. Die CSU kommt hier auf einen Wert von 44%, in der Wirtschaftspolitik sogar auf 48%.
Murren in der Industrie
Dabei ist seit fünf Jahren Hubert Aiwanger Wirtschaftsminister, der Bundes- und Landesvorsitzende der Freien Wähler. In Bayern ist ein, wenn auch leises, Murren großer Industrieunternehmen zu hören, die sich von Aiwanger kaum wahrgenommen fühlen. Größere Investitionen wie zuletzt eine zusätzliche Milliarde Euro von Apple in München machen die Konzerne mit der Staatskanzlei aus. Aiwanger hat mehr für Handwerk und Landwirtschaft übrig – obwohl es für den Agrarsektor ein eigenes Ministerium gibt, das die CSU führt. Aiwanger trifft als Landwirt auf eine besondere Sympathie dieser Wählergruppe.
Obwohl also nicht einmal jeder Zehnte der Wahlberechtigten in Bayern den Freien Wählern die Fähigkeit zuspricht, Probleme zu lösen, und obwohl Aiwangers Wirtschaftskompetenz Lücken hat, liegt die Partei im Aufwind. Laut Infratest Dimap hätten sich im September 17% für die Freien Wähler entschieden, 5 Punkte mehr als im Mai und 5,4 Punkte mehr als in der Wahl vor fünf Jahren.
Wortgefechte und Gerangel
Der enorme Wirbel um das Flugblatt mit antisemitischer Hetze aus Aiwangers Schulzeit hat seiner Partei offensichtlich Zulauf gebracht. Söder veranlasste die Diskussion, sich vom Koalitionspartner abzugrenzen: Wirtschaft sei Chefsache, wenn es ernst werde – und unabhängig von Aiwanger, betonte er in einem Interview. Prompt verbaten sich die Freien Wähler öffentliche Belehrungen und Querschüsse aus der Staatskanzlei. Wortgefechte und Gerangel um Kompetenz sind schlechte Voraussetzungen für eine Neuauflage der Koalition aus CSU und Freien Wählern, auf die Bayern zusteuert.