Spacs am Wendepunkt
Die Milliardendeals rund um Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) in den vergangenen Wochen haben eines klargemacht: Der Hype um die beim Börsengang zunächst leeren Übernahmevehikel steuert auf einen Wendepunkt zu. Spacs haben sich einen bedeutenden Platz am Kapitalmarkt erobert – aber welche Rolle sie dauerhaft spielen werden, das wird jetzt ausgekämpft. Nimmt man die Übernahmen der Super-App Grab aus Singapur und des US-Elektroautoherstellers Lucid zum Maßstab, dann haben Spacs das Zeug dazu, für innovative Jungunternehmen mit einem kapitalintensiven Geschäft schnell die notwendigen Mittel für eine große Expansion aufzubringen.
Mit 40 Mrd. Dollar bzw. 18 Mrd. Dollar gehören die Spac-Fusionen von Grab und Lucid zu den Top-10-M&A-Deals im laufenden Jahr. Mehr als 600 Spacs haben seit Anfang 2020 in den USA mehr als 180 Mrd. Dollar eingesammelt. Allein im laufenden Jahr haben sie Unternehmen für mehr als 220 Mrd. Dollar eingekauft und so an die Börse geführt. Für institutionelle Investoren, die gleich zu Anfang die Spac-Aktien zum Standard-Ausgabepreis von 10 Dollar in den USA oder 10 Euro in Europa erwerben, ist das Abwärtsrisiko begrenzt. Bis zur Ankündigung einer Übernahme weichen die Spac-Kurse selten stark nach unten vom Ausgabepreis ab. Wem die angepeilte Übernahme nicht zusagt, der kann dagegen stimmen und seine Aktien zurückgeben – ein fairer Deal.
Schaut man sich jedoch an, wie schnell die Mittelzuflüsse für neu an die Börse strebende Spacs in den vergangenen Wochen abgeebbt sind, dann könnte aus der Begeisterung bald Katzenjammer werden. Noch vor kurzem konnten sogar US-Prominente aus der zweiten Reihe des Sports oder der Verlagswelt, die bisher nichts mit Finanzen am Hut hatten, erfolgreich als Gründer neuer Spacs auftreten. Die Ziel-Geschäftsfelder konzentrierten sich auf die beliebten Themen: Roboterautos, Ladesäulen, Elektrolastwagen und fliegende Taxis. In Europa sieht zumindest das anders aus: Die Spac-Sponsoren aus Deutschland sind allesamt kundige Leute wie die Wagniskapitalgeber Alexander Kudlich (468 Spac) und Klaus Hommels (Lakestar) oder Ex-Commerzbank-Chef Martin Blessing, Ex-Siemens-Manager Klaus Kleinfeld und Ex-Allianz-Finanzvorstand Dieter Wemmer.
Doch die schiere Menge der neuen US-Spacs und die übertrieben wirkenden Preise, die bei Übernahmen gezahlt werden, beginnen die institutionellen „Pipe“-Investoren abzuschrecken, die für die flankierenden Kapitalerhöhungen bei großen Deals benötigt werden. Sie werden als Finanziers für weitere Großfusionen fehlen. Zudem haben Leerverkäufer das Volumen ihrer Wetten, mit denen sie auf fallende Kurse der Spacs setzen, seit Jahresbeginn vervierfacht. Auch die Regulierungsbehörden reagieren bereits alarmiert auf den Hype: Die US-Börsenaufsicht SEC warnt, Privatanleger sollten Spac-Aktien nicht nur deshalb kaufen, weil sie von Prominenten angeboten werden. Die Behörde mahnt Spac-Initiatoren, sie dürften Investoren keine Versprechen machen, die sie nicht einhalten können. Spacs seien kein Freifahrtschein für in die Irre führende Angaben.
Seit Mitte März nimmt vor diesem Hintergrund die Zahl der neuen Spacs stetig ab. Seit dem Höchststand Ende Februar ist der US-Ipox-Spac-Index um 21% gefallen. Viele notieren sogar unter 10 Dollar. Entweder handelt es sich um eine ausgeprägte Atempause – oder um den Beginn eines Abschwungs der Anlageklasse. Jedenfalls erscheint es unwahrscheinlich, dass die rund 400 Spacs, die noch kein Akquisitionsziel gefunden haben, alle in der vorgegebenen Frist von 24 Monaten eine lohnende Übernahme tätigen. Schon jetzt haben Spacs, die Tech-Firmen kauften, oft mehr als das Zehnfache des Umsatzes gezahlt, während abseits der Börse strategische Investoren deutlich geringere Erlösvielfache zahlen. Spacs treten in Bieterwettbewerben in Konkurrenz zu erfahrenen Venture-Capital- und Private-Equity-Investoren. Die Not, gute Anlageobjekte zu finden, führt zu einer Übertreibung. Wenn ein Spac bei diesem Gedrängel den Zuschlag erhält, dann dürfte er schon zu viel bezahlt haben.
Spacs sind kein Teufelswerk. Sie ermöglichen schnelle IPOs von Jungunternehmen, die Kapital für die Expansion brauchen und das umständliche Bookbuilding bei klassischen Börsengängen scheuen. Sie ermöglichen Investoren mit kleinem Budget, Anteile an bisher nicht börsennotierten Unternehmen zu erwerben, die sie sonst nicht hätten bekommen können. Aber der Markt scheint überhitzt. Auch die Regulierungsbehörden werden dazu beitragen müssen, die Spreu vom Weizen zu trennen.