Spanien probt die Marktkonsolidierung in der Telekombranche
Spanien probt die Marktkonsolidierung
Mit der Fusion von Orange und Másmóvil und dem Einstieg von Zegona bei Vodafone verändert sich das Feld. Der bisherige Platzhirsch Telefónica fordert nun eine komplette Deregulierung.
Von Thilo Schäfer, Madrid
Die Konsolidierung der Telekommunikationsbranche in Europa war ein großes Thema auf dem Mobile World Congress in Barcelona diese Woche. Die großen Unternehmen forderten wieder einmal eine Deregulierung des Sektors, um weniger, aber dafür stärkere Anbieter zu ermöglichen. Da passte es ins Bild, dass das Gastgeberland der größten Telekommesse der Welt selbst gerade ein Beispiel für diese Konsolidierung liefert.
Grünes Licht aus Brüssel
Letzte Woche gab die Europäische Kommission endlich grünes Licht für die Fusion der spanischen Tochter der französischen Orange mit Másmóvil. Dadurch entsteht in Spanien ein neuer Marktführer vor dem bisherigen Platzhirsch Telefónica und Vodafone mit 30 Millionen Kunden im Mobilfunk und 7,3 Millionen Kabelanschlüssen. Das frühere Staatsunternehmen Telefónica bleibt jedoch nach Umsatz an der Spitze, da man mehrheitlich im hochpreisigen Segment vertreten ist.
In Brüssel ließ man sich mit dem Entschluss lange Zeit, denn der Zusammenschluss war bereits vor fast zwei Jahren verkündet worden. Anfangs hatten die Wettbewerbshüter große Bedenken wegen der möglichen Auswirkungen einer höheren Marktkonzentration auf die Preise. Die Kommission rückte nun von der Doktrin ab, wonach ein funktionierender Wettbewerb mindestens vier große Anbieter erfordere, jedoch nur auf den ersten Blick. Denn die Auflagen für die Fusion von Orange und Másmóvil haben zum Ziel, einen vierten Player zu fördern – den spanischen Ableger von Digi aus Rumänien; das größte der zahlreichen kleinen Telekomunternehmen ohne eigenes Netz.
Die Kommission fordert von Orange und Másmóvil den Verkauf von Mobilfunkspektrum an die Rumänen. Das soll den Grundstein für den Aufbau einer eigenen Infrastruktur bilden. Außerdem darf Digi das Netz des fusionierten neuen Marktführers anmieten, falls das gewünscht ist. Digi hat mit einer aggressiven Preispolitik im Low-Cost-Bereich in den letzten Jahren rasant Marktanteile gewonnen. Im vergangenen Jahr erhöhte sich die Zahl der Mobilfunkkunden um 32% auf gut sechs Millionen. Digi investierte 2023 insgesamt 328 Mill. Euro, unter anderem in den Ausbau von Glasfaserleitungen.
Bei der Konkurrenz war man über die Auflagen aus Brüssel für die Fusion von Orange und Másmóvil wenig begeistert. Telefónica hatte gehofft und öffentlich auch dafür plädiert, dass der Zusammenschluss ohne jegliche „remedies“ erlaubt werden müsse. Für den Vorsitzenden von Telefónica, José María Álvarez-Pallete, sind die Auflagen der Fusion aus Brüssel „eine verlorene Chance, denn Spanien ist bereits einer der wettbewerbsfähigsten Märkte Europas“.
Telefónica bleibt gelassen
„Es stellt sich ein neues Szenario, aber die Mitbewerber sind ja bekannt“, kommentierte der Telefónica-Chef vorige Woche auf der Bilanzpressekonferenz in Madrid. Außer der Fusion steht nämlich auch der Verkauf von Vodafone Spanien an den britischen Finanzinvestor Zegona bevor. „Wir flexibilisieren unser Angebot in Erwartung von mehr Wettbewerb im Low-Cost-Bereich“, sagte Álvarez-Pallete. Allerdings bleibt der bisherige Marktführer gelassen. Orange und Másmóvil hätten, ebenso wie Zegona bei Vodafone, nicht den erforderlichen finanziellen Spielraum, um „Preiskämpfe“ anzuzetteln, „es sei denn, sie wollen ihre Bilanz ruinieren“, warnte Álvarez-Pallete.
Telefónica hat bereits Gespräche mit Digi über eine Verlängerung des Roaming-Abkommens aufgenommen. Die Rumänen stehen durch die von Brüssel ermöglichte Alternative der Nutzung des Netzes der fusionierten Orange-Másmóvil in einer guten Verhandlungsposition. „Wir glauben, dass Digi seine Kunden eher nicht an Orange transferieren will“, kommentierten die Analysten von Bankinter. Aber Einbußen bei den Einnahmen durch die Vermietung werde Telefónica wohl hinnehmen müssen.
Ein Fragezeichen gibt es auch bezüglich der Pläne von Zegona für Vodafone, die in den letzten Jahren in Spanien auf dem absteigenden Ast war. Manche Experten rechnen mit einer Preisoffensive, um Kunden und Marktanteile zurückzuerobern. Doch ist nicht klar, ob das Geld dafür reicht. Der Kauf der Spanien-Tochter von Vodafone kostet 5 Mrd. Euro. Der Großteil davon, 4,7 Mrd. Euro, wird über Kredite finanziert, was wiederum höhere Finanzierungskosten mit sich bringt. Das ist einer der Punkte, der die spanischen Behörden skeptisch macht.
Präferenz für industrielle Partner
Im jüngst neu formierten Ministerium für die Digitale Transformation sieht man in der Übernahme Probleme, da Zegona ein Finanzinvestor ist und kein industrieller Partner wie die Swisscom, die dieser Tage den Kauf von Vodafone in Italien verkündet hat. Die Briten steigen bei dem Unternehmen ein mit dem Ziel, in einigen Jahren gewinnbringend wieder auszusteigen. In Spanien hatte Zegona einst das baskische Telekomunternehmen Euskatel gekauft, das Jahre später an Másmóvil veräußert wurde. Der Minister für die Digitale Transformation, José Luis Escrivá, verlangte auf der Mobilfunkmesse in Barcelona langfristige „Verpflichtungen“ von Zegona für den spanischen Markt. Während die Wettbewerbsbehörde CNMC die Übernahme bereits abgesegnet hat, steht das grüne Licht der Regierung noch aus.
Für den Zusammenschluss von Orange und Másmóvil erwartet Escrivá noch im März die offizielle Genehmigung der Regierung. Allerdings fordert der Minister auch vom künftigen Marktführer „konkrete und langfristige Investitionszusagen“.
Bei Telefónica sieht man in der Fusion auch eine große Chance. Denn mit dem Ende der Vorherrschaft des Konzerns in Spanien müssten nach Meinung von Álvarez-Pallete auch die vielen Auflagen fallen, denen man als dominanter Anbieter unterliegt, etwa die Bereitstellung von Anschlüssen im ganzen Land. „Das ist der Moment für eine Deregulierung“, forderte der Vorsitzende von Telefónica: „Wir brauchen niemand, der uns beschützt, wie wollen einfach nur unter gleichen Bedingungen antreten.“ Einen Fürsprecher hat der Konzern in der CNMC. Die Aufsicht schlug Anfang Februar ebenfalls eine Deregulierung von Telefónica vor. In Spanien seien die Marktbedingungen im Retailgeschäft der Telekommunikation „relativ wettbewerbsfähig“, so die CNMC.
Neue Staatsholding
In der spanischen Branche wird bald noch ein weiterer Akteur auf den Plan treten. Die Linksregierung hat die staatliche Industrieholding SEPI mit dem Kauf von bis zu 10% der Aktien von Telefónica beauftragt. Das ist eine Abwehrreaktion gegen den Einstieg der staatlichen Saudi Telecom Company (STC). Die besitzt derzeit 4,9% der Anteile, weitere 5% sind in Form von Derivaten geparkt. Um den Anteil auf über 5% hochzuschrauben, bedarf es der Genehmigung der Regierung. Bislang habe man noch keinen entsprechenden Antrag bekommen, berichtete Escrivá.
Der Minister nutzte die Bühne in Barcelona, um ein neues staatliches Vehikel für die Digitalisierung und den Telekombereich anzukündigen. Die Sociedad Española para la Transformación Tecnológica (SETT) soll alle öffentlichen Beteiligungen an Unternehmen und Infrastruktur bündeln und die Digitalisierung ankurbeln. Das Investitionspotenzial bezifferte das Ministerium mit bis zu 20 Mrd. Euro.