Im BlickfeldStreit um Extrabesteuerung

Spanien ringt um Abgabe auf Übergewinne

Spaniens Regierung will die Sonderabgabe auf Übergewinne von Banken und Versorgern zu einer dauerhaften Steuer machen. Das stößt in der Industrie auf Gegenwehr.

Spanien ringt um Abgabe auf Übergewinne

Armdrücken um Abgabe auf Übergewinne in Spanien

Industrie droht Regierung wegen Steuerplänen mit Abzug von Investitionen.

Von Thilo Schäfer, Madrid

Vor einem Jahr präsentierte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez auf der UN-Klimakonferenz stolz das Großprojekt des Energiekonzerns Cepsa für den Bau einer Produktionsstätte für grünes Methanol in Huelva an der andalusischen Küste. Es sollte eine Kapazität von 2000 Megawatt an grünem Wasserstoff entstehen, das bis dato größte solche Projekt in Europa. „Die spanische Regierung ist entschlossen, die notwendige öffentliche Unterstützung zu geben, damit Spanien zum europäischen Zentrum für grünen Wasserstoff wird“, versicherte der Regierungschef.

Doch ein Jahr danach droht die Vision von der Supermacht für Ökostrom zu platzen. Cepsa kündigte vor Tagen an, die Investition von 3 Mrd. Euro in das Werk in Huelva zu überdenken. Der heimische Mitbewerber Repsol hatte schon vor einiger Zeit die Investitionen von gut 1 Mrd. Euro in die Produktion von Biomethanol und Methanol aus erneuerbaren Quellen im katalanischen Großhafen Tarragona auf Eis gelegt. Die beiden Erdölkonzerne, die darum bemüht sind, auf umweltfreundlichere Energien umzusiedeln, sind die Speerspitze der Energiebranche in Spanien gegen die Pläne der Linksregierung, die ungeliebte Sonderabgabe auf Übergewinne in eine permanente Steuer umzuwandeln. Auch die Banken wettern gegen ihre eigene Sonderabgabe.

Die Koalition der Sozialisten von Sánchez und den Linken von Sumar arbeitet derzeit frenetisch an einer Formel, um Energieversorger und Banken dauerhaft höher besteuern zu können. Die Sonderabgabe war im Zuge der Krise durch die Folgen der Pandemie und den russischen Überfall auf die Ukraine entstanden. Nach Auffassung der Linksregierung sollten die Energieversorger für die Übergewinne aus den stark gestiegenen Rohstoffpreisen zur Kasse gebeten werden und die Banken für den rapiden Zinsanstieg. Die Abgabe besteuerte den Umsatz der großen Energieversorger mit 1,2%. Banken mussten auf die Erlöse aus Zinsüberschuss und Provisionen 4,8% zahlen.

Finanzministerium zieht positive Bilanz

Die Maßnahme galt zunächst nur für die Ergebnisse von 2022 und 2023, wurde dann aber um ein Jahr verlängert. Ende September zog das Finanzministerium eine positive Bilanz. Die Sonderabgabe brachte dem Fiskus 2024 Einnahmen von insgesamt 2,86 Mrd. Euro ein, wovon 1,7 Mrd. Euro auf die Banken entfielen. Die Vorstände der Banken kritisieren bei jeder Gelegenheit die Abgabe, vor allem weil diese auf den Umsatz – Zinsertrag und Provisionen – angewendet wird und nicht auf den Gewinn. Einige haben gegen die Maßnahme geklagt. Finanzministerin María Jesús Montero rechtfertigte die Sonderabgabe mit den starken Ergebnissen der Unternehmen.

So präsentierte Spaniens größte Bank Santander am Dienstag einen Rekordgewinn von 9,3 Mrd. Euro. Der CEO, Héctor Grisi, warnte bei der Präsentation der Zahlen davor, dass eine Verfestigung der Abgabe die Kreditvergabe einschränken und somit der Wirtschaft schaden würde. Santander plant dennoch keine Verlagerung von Geschäften ins Ausland. „Spanien ist enorm wichtig für uns“, versicherte Grisi.

Widerstand der Untenehmen

Montero gab vor Tagen zu, dass die linke Minderheitsregierung gegenwärtig um die nötigen Stimmen im Parlament für eine Umwandlung der Abgaben in dauerhafte Steuern kämpfe. Die Mehreinnahmen durch diese Tribute sind bereits im Fiskalpakt eingepreist, den Spanien kürzlich nach Brüssel geschickt hat. Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo deutete an, dass man die Abgaben „anpassen“ werde. So sollen etwa bei den Banken der „Zinszyklus“ berücksichtigt werden. Die Energieversorger sollen Investitionen in Ökostromprojekte besser absetzen können.

Doch der Branche ist das nicht genug. Der CEO von Repsol, Josu Jon Imaz, sorgte mit einem Artikel in der Zeitung La Vanguardia letzte Woche für Aufsehen. Er verdanke seine Karriere dem staatlichen Bildungssystem und habe in der Steuerpolitik immer für „eine Verteilungsvision“ gestanden. Die Extra-Besteuerung der Energieversorger lehnt der frühere Politiker jedoch als „fiskalpolitischen Populismus“ entschieden ab, zumal der Standort Spanien gefährdet sei. Bei Iberdrola, Spaniens führendem Energieversorger, schlug man dagegen etwas leisere Töne an. Der Vorsitzende Ignacio Sánchez Galán ist eigentlich berüchtigt für seine Attacken auf die Regulierungs- und Steuerpolitik der Linksregierung. Doch letzte Woche redete er bei der Vorlage der Quartalszahlen vor Analysten das Problem klein. Die Sonderabgabe sei „nur ein kleiner Teil im Vergleich zum Gesamtgeschäft des Konzerns“, der in den ersten neun Monaten des Jahres einen Reingewinn von 5,5 Mrd. Euro einfuhr. Außerdem sei noch nichts entschieden, sagte der Iberdrola-Chef, in Anspielung auf die komplizierten Verhandlungen der Minderheitsregierung.

Beistand von Nationalisten

Wie Sánchez Galán vor den Analysten andeutete, haben die Unternehmen die Hoffnung, dass die Sánchez-Regierung für die Verfestigung der Sonderabgaben keine Mehrheit zusammen bekommen wird, wie es bei einer ganzen Reihe von Gesetzinitiativen bereits der Fall war. Der entscheidende Beistand kommt von den bürgerlichen Nationalisten aus dem Baskenland und Katalonien. Deren Abgeordnete sind im spanischen Unterhaus unentbehrlich für eine Mehrheit für die Minderheitsregierung. Junts, die Partei des katalanischen Separatistenführers Carles Puigdemont, der im selbst erwählten Exil in Belgien weilt, steht der Wirtschaft nahe und verspricht, für die Investitionen von Repsol in Tarragona und den damit verbundenen Arbeitsplätzen zu kämpfen. Die sehr unternehmensnahe baskische PNV widersetzt sich ebenfalls der Verfestigung der Abgabe. Iberdrola hat den Hauptsitz in Bilbao und der Repsol-CEO Imaz war früher einmal Parteivorsitzender der PNV und baskischer Wirtschaftsminister.

Einen Nutznießer des Aufstandes der Erdölkonzerne in Spanien gibt es auch. Repsol verstärkt sein Engagement in Ökostromprojekte in Sines, dem Industriehafen an der Atlantikküste Portugals. „Spanische Investitionen sind in Portugal sehr willkommen“, erklärte Wirtschaftsminister Pedro Reis der Zeitung El Mundo bezüglich der Pläne von Repsol. Die konservative Regierung in Lissabon schürt den Wettbewerb mit dem Nachbarn mit einer Senkung der Unternehmenssteuer. Spaniens Regierung bleiben noch zwei Monate, um eine Version der Abgabe zu gestalten, welche die Kritiker zufrieden stellt. Sonst ist die Übergewinnbesteuerung zum Jahresende Geschichte.