Im BlickfeldWettbewerb

Spaniens Telekommarkt sortiert sich gerade neu

In der spanischen Telekombranche ist derzeit mächtig was los. Vodafone verkauft das Geschäft, die Saudis steigen bei Telefónica ein und alle warten, ob Brüssel endlich grünes Licht für den Zusammenschluss von Orange und Másmóvil gibt. Letzteres könnte den Markt ziemlich durcheinanderwirbeln.

Spaniens Telekommarkt sortiert sich gerade neu

Spaniens Telekommarkt sortiert sich gerade neu

Alle Anbieter blicken gespannt auf die Fusion von Orange und Másmóvil

Von Thilo Schäfer, Madrid

Telefónica ist ein international breit aufgestellter Konzern. Am Dienstag, einen Tag vor dem Capital Markets Day, kündigte das spanische Telekomunternehmen ein Angebot an die Aktionäre der 28% von Telefónica Deutschland, die nicht im Besitz des Mutterkonzerns sind, für knapp 2 Mrd. Euro an. Auch in Brasilien und Großbritannien gehören die Spanier zu den Marktführern. Doch auf dem Treffen mit den Investoren in Madrid, wo der neue Strategieplan vorgestellt wurde, drehten sich die Fragen hauptsächlich um den Heimatmarkt, der 27% des Geschäfts von Telefónica ausmacht.

Das Interesse der Anleger ist berechtigt. Denn auf dem spanischen Telekommunikationsmarkt überschlagen sich derzeit die Ereignisse. Da ist zum einen der überraschende Einstieg der staatlichen Saudi Telecom Company (STC) bei Telefónica und die mögliche Abwehrreaktion seitens der spanischen Regierung. Vodafone verkaufte vor Tagen ihr Spanien-Geschäft an den Finanzinvestor Zegona. Aber über allem steht die Fusion der spanischen Tochter der französischen Orange mit Másmóvil, die den Markt komplett verändern würde, sollte sie denn schließlich von der Europäischen Kommission genehmigt werden.

Spanien verfügt über eines der modernsten Telekommunikationsnetze der Welt. Von den gut 17 Millionen Festnetzanschlüssen haben 83% Glasfaserleitungen, mehr als alle anderen europäischen Staaten und nur noch übertroffen von Südkorea und Japan. Im kommenden Jahr wird Spanien als erstes EU-Land das traditionelle Kupfernetzwerk ganz abschalten. Allerdings herrscht auf dem Markt auch ein sehr hoher Wettbewerb, der die Margen der vier großen Anbieter –Telefónica Movistar, Vodafone, Orange und die 2006 vom Österreicher Meinrad Spenger mitgegründete Másmóvil – in den letzten Jahren stark belastet hat. Platzhirsch Telefónica schreibt nach jahrelangen Verlusten jetzt erst wieder schwarze Zahlen auf dem Heimatmarkt. „In Spanien nimmt das Wachstum zu und wir erwarten, dass das Oibda (Betriebsergebnis) sich in diesem Quartal stabilisiert“, erklärte der CEO von Telefónica, Ángel Vilá, auf dem Capital Markets Day. Bis 2026 erwartet der Konzern ein weiteres Umsatzwachstum in Spanien.

Vodafone steigt aus

Der hohe Wettbewerbsdruck veranlasste die britische Vodafone dazu, sich nach 25 Jahren aus Spanien zurückzuziehen. Ende Oktober gab der Konzern den Verkauf seiner Tochter für 5 Mrd. Euro an Zegona bekannt, ein kleinerer britischer Finanzinvestor, der auf den Telekomsektor spezialisiert ist. „Der Markt hat Herausforderungen und strukturell niedrige Returns“, erklärte Margherita Della Valle, CEO von Vodafone, den Ausstieg aus Spanien. Der Käufer sieht das selbstverständlich anders. Spanien biete „attraktive Charakteristiken“, da die spanische Wirtschaft weiter wächst. Zegona, die mit Euskatel und Telecable vor Jahren bereist Erfahrung auf dem spanischen Telekommarkt sammelte, ist zudem zuversichtlich, dass man das Geschäftsmodell von Vodafone Spanien erfolgreich ändern kann.

Dieser neue Player blickt ebenfalls auf die Fusion von Orange und Másmóvil. Sollte Brüssel diese nur unter harten Auflagen gestatten, könnte man sich bei den zu veräußernden Aktiva bedienen. Falls der Zusammenschluss ganz abgelehnt würde, könnte Vodafone die alten Pläne für eine Fusion mit Másmóvil wiederbeleben, lässt der Finanzinvestor verlauten. In einer ersten Stellungnahme im Juni erklärte die Kommission, dass der Zusammenschluss der beiden Anbieter Einfluss auf den Wettbewerb und höhere Preise für die Verbraucher zufolge haben könnte. Eigentlich wollte Brüssel im September eine Entscheidung treffen, doch warten alle Teilnehmer bis heute noch gespannt auf das Diktum. Die Entscheidung über Orange und Másmóvil wird europaweit als richtungsweisend gedeutet. Denn bislang vertrat Brüssel die Doktrin, wonach ein funktionierender Wettbewerb mindestens vier große Anbieter erfordere.

Der Vorsitzende von Telefónica, José María Álvarez-Pallete, äußerte vor den Investoren in Madrid seine „Überraschung“ darüber, dass die Operation von Orange und Másmóvil nun schon seit 18 Monaten auf grünes Licht wartet. Wie schon oft zuvor, sprach sich der Telefónica-Chef für den Zusammenschluss aus, und zwar „ohne Auflagen“. Angst habe man nicht vor einem neuen, stärkeren Mitbewerber, versicherte Álvarez-Pallete. In jedem Fall habe der Konzern einen Kontingenzplan vorbereitet, um den möglichen Folgen der Fusion entgegenzutreten, versicherte sein Vorstandskollege Vilá. „Aber zuerst müssen wir die möglichen Auflagen abwarten“, so der CEO von Telefónica.

Neuling aus Rumänien

Manche Analysten sehen den früheren Staatskonzern als größten Verlierer des Zusammenschlusses, sollte er durchgehen. „Wir meinen, dass das größte negative Risiko für Telefónica der Ausgang des Konsolidierungsprozesses in Spanien ist“, kommentierten die Experten von Barclays vor Tagen. Denn der wahrscheinliche Gewinner, sollte die Operation nur mit hohen Auflagen genehmigt werden, wäre der börsennotierte rumänische Lowcost-Anbieter Digi, der sich in Spanien hinter den vier Großen zur Nummer 5 gemausert hat. Barclays und Citi glauben, dass die Kommission ein Interesse daran habe, Aktiva von Orange und Másmóvil Digi zukommen zu lassen, um so einen Wettbewerber zu stärken. Das wäre das „schlechteste Szenario für Telefónica“, meint Barclays. Die Rumänen haben große Pläne für Spanien und haben nach eigenen Angaben 2 Mrd. Euro für Investitionen bereitgestellt. „Wir glauben, dass Spanien einen Telekommarkt mit vier starken Mobilfunkanbietern braucht, erklärte, der CEO von Digi, Darius Varzarus, kürzlich der Zeitung "El Mundo".

Nach außen gibt man sich bei Telefónica, die einen Vertrag mit Digi zur Nutzung ihres Netzes hat, hinsichtlich eines drohenden Preiskampfes gelassen. „Wir erwarten, dass alle Player aus finanzieller Sicht rational handeln werden“, warnte Vilá. Der Vorsitzende Álvarez-Pallete verlangte derweil eine „vollständige Deregulierung“ der Branche. Einer der Vorteile der Fusion wäre, dass Telefónica nicht mehr als dominanter Anbieter gälte, da Orange und Másmóvil bei Festleitungen und Mobilfunkverträgen gemeinsam auf einen Marktanteil von über 40% kommen.

Die möglichen negativen Folgen einer Fusion für Telefónica in Spanien schrecken andere Anleger nicht ab. Anfang September überraschte STC aus Saudi-Arabien mit der Ankündigung, dass man direkt und indirekt 9,9% der Aktien von Telefónica erworben habe und damit auf einen Schlag größter Einzelaktionär wird. „Die Investition belegt das Vertrauen von STC Group in die Führung von Telefónica, deren Strategie und Fähigkeit Mehrwert zu schaffen“, hieß es in einer Börsenmitteilung der Saudis.

Doch in Spanien besteht großes Misstrauen gegenüber den Absichten der Anleger vom Golf, zumal die Operation über Monate heimlich vorbereitet worden war und selbst den Telefónica-Vorstand auf dem falschen Fuß erwischte. Die Linksregierung bekräftigte, dass man die Unabhängigkeit des strategisch wichtigen Telekomkonzerns wahren wolle. Die staatliche spanische Industrieholding Sepi erklärte offiziell, dass man eine Beteiligung an Telefónica prüfe.

Abwehr gegen Saudis

STC hat 4,9% der Aktien direkt erworben und hält weitere 5% des Kapitals in Form von Derivaten. Denn für Beteiligungen über 5% ist die Zustimmung der spanischen Regierung erforderlich, da Telefónica unter anderem den Streitkräften strategisch sensible Dienste liefert. Die Entscheidung der Politik steht noch aus. Die Märkte feierten den Einstieg von STC mit einem kurzzeitigen Kurssprung von Telefónica.

Wie der spanische Telekommarkt in ein paar Monaten aussehen wird, lässt sich heute kaum abschätzen. Die Kunden können sich aber recht sicher sein, dass der Wettbewerbsdruck nicht wesentlich nachlassen wird und ihnen weiter günstige Angebote beschert, zum Trotz der Unternehmen.

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