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Staat schadet am Wohnungsmarkt mehr, als er nutzt

Viele Bürger sehen den Staat eher als Bremser in ihrem Bestreben, ihre Wohnsituation zu verbessern. Um dies zu ändern, sollten sich EU, Bund, Länder und Gemeinden in ihren Maßnahmen besser abstimmen.

Staat schadet am Wohnungsmarkt mehr, als er nutzt

Staat richtet beim Wohnen mehr Schaden als Nutzen an

Die Bürger empfinden staatliche Aktivitäten bei ihrem Streben nach einer besseren Wohnsituation eher als kontraproduktiv. Verhindern ließe sich dies durch eine bessere Koordination zwischen den Gebietskörperschaften.

Von Thomas List, Frankfurt

Wohnen ist in Deutschland zu teuer. Das gilt zwar nicht überall, aber auf jeden Fall für Ballungsräume und wirtschaftlich aufstrebende Städte. Mieter können sich trotz steigendem Bedarf zum Beispiel durch Familiengründung keine größere Wohnung leisten. An Wohnungseigentum können die meisten Menschen gar nicht erst denken, obwohl das nicht zuletzt eine gute Form der Altersvorsorge wäre.

Um doch noch eine Teilhabe an bezahlbarem Wohnraum zu ermöglichen, greift der Staat ein. Er stellt (vergünstigte) Bauflächen zur Verfügung, errichtet Sozialwohnungen, reguliert die Mieten und kann den Eigentumserwerb zum Beispiel durch Abschreibungsmöglichkeiten fördern. Darüber hinaus setzt der Staat vielfältige Rahmen – im Umweltschutz (Klimaneutralität mit unmittelbarem Einfluss auf die Bauordnung), zur Erreichung wirtschaftspolitischer Ziele wie Schuldenabbau (begrenzte Fördermöglichkeiten) und Preisstabilität (Zinserhöhungen erschweren Finanzierung).

Nur moderater Einfluss

Es überrascht daher nicht, dass sich in einer Umfrage sechs von zehn privaten Haushalten von staatlichen Maßnahmen in ihrer Wohnsituation betroffen sehen. Interessant ist aber, dass der staatliche Einfluss auf ganz unterschiedliche Faktoren von Klimawandel über Entwicklung der Immobilienpreise, Zinsentwicklung, Energiepreise, Mieten bis hin zu Immobilienangebot und Markttransparenz allenfalls als moderat eingeschätzt wird.

Ernüchternd ist, dass die Einflussnahme des Staates von den befragten Haushalten meistens als negativ wahrgenommen wird. Am stärksten gilt das für Energiepreise, die Verfügbarkeit von Fachkräften und die Entwicklung der Immobilienpreise. Warum dies so ist, wird in der verfügbaren Auswertung der Studie der Technischen Universität Darmstadt und der Baufinanzierungsplattform Baufi 24 leider nicht erläutert. Es könnte mit der Umweltpolitik (angestrebte Klimaneutralität), der Migrationspolitik und den Zinsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank zusammenhängen.

Deutlich wird in der Befragung von rund 1.000 Privathaushalten der Einfluss der Zinsen auf die Erschwinglichkeit der Wunschimmobilie. Bei einem Zinsniveau von 4% glauben 96%, dass sie sich ihr Wunschobjekt nicht mehr leisten können. Bei Zinsen von 1% waren es 22%.

Trendwende zeichnet sich ab

Inzwischen scheint sich aber eine „leichte“ Trendwende abzuzeichnen, wie eine Online-Befragung von mehr als 1.000 Käufern sowie Interessierten durch den Baufinanzierer Interhyp im Mai 2024 ergab. Mehr als die Hälfte aller Befragten schätzen die Leistbarkeit einer Immobilie in ihrer Region inzwischen als „mittel“ oder „leicht“ ein. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Plus von neun Prozentpunkten, heißt es. Von denjenigen, die in den kommenden ein bis zwei Jahren eine Immobilie kaufen wollen, schätzen 56% eine Immobilie als „mittel“ bis „leicht“ leistbar ein – zwölf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.

Renovierung steht bevor

Fast zwei Drittel der von der TU Darmstadt befragten rund 1.000 Haushalte wollen ihre Immobilien in den nächsten fünf Jahren renovieren. Staatliche Fördermittel spielen für rund jeden zweiten Eigentümer bei dieser Investitionsentscheidung eine Rolle. Entsprechend positiv bewerten sie den Einfluss des Staates auf die Bereitstellung dieser Fördermittel zum Beispiel durch die KfW. Konterkariert wird dies allerdings durch die mangelnde Verlässlichkeit dieser Förderungen. So hatte die KfW Ende 2023 infolge einer Haushaltssperre des Bundes vier Wohn- und Bau-Förderprogramme gestoppt und keine Anträge mehr angenommen.

Dazu passt die Feststellung der Studie, dass die Mehrheit der Befragten zwar einen steigenden staatlichen Einfluss auf ihre Wohnsituation feststellt. Dessen Wirkung ist aber dürftig. Denn nur ein Fünftel der Befragten glauben, dass der staatliche Einfluss ihnen hilft, die von ihnen angestrebte Wohnsituation auch tatsächlich zu erreichen. Relativiert wird dies aber dadurch, dass Kaufinteressenten den staatlichen Einfluss sehr viel positiver bewerten als Eigentümer. Das erscheint logisch, weil die meisten staatlichen Maßnahmen der Eigentumsbildung dienen.

Zwei von drei Befragten gehen davon aus, dass der Einfluss des Staates auf ihre Wohnsituation in Zukunft steigen wird. Gemeint sind damit sozialpolitische Faktoren wie die Lohnentwicklung (immerhin hat die Leistbarkeit von Wohneigentum in der Vergangenheit abgenommen, weil die Lohnentwicklung nicht mit den steigenden Zinsen und Wohnpreisen/-kosten mithalten konnte) und finanzpolitische wie die Zinsentwicklung.

Bessere Koordination

Vergleichsweise klar ist das Bild, wenn es um die Einschätzung geht, wie der als eher negativ eingeschätzte Einfluss des Staates auf die eigene Wohnsituation verbessert werden kann. Die politischen Instanzen Kommunen, Länder, Bund und Europäische Union sollten sich besser abstimmen. Denn 58% der Befragten finden, dass diese Koordination bisher fehlt.

Zwar kommen die meisten Fördermittel vom Bund. Doch fördern viele Länder auch energetische Ertüchtigungen, und manche Kommune gibt auch noch etwas dazu. Diesen von vielen als unübersichtlicher Förderdschungel empfundenen Wust gilt es zu lichten.

Irritierend ist, dass die Bürger den Einfluss der EU als deutlich geringer einschätzen als von Bund, Ländern und Gemeinden. Gerade in der Umweltgesetzgebung entspricht dies nicht der Realität.