Im BlickfeldGroßfinanzierungen laufen an

Steuergutschriften befeuern US-Investitionen in Carbon Capture

Bank of America stellt für ein Projekt zur Speicherung von Kohlendioxid großvolumige Finanzierungen bereit und sichert sich im Gegenzug Steuergutschriften. Analysten sehen für ähnliche US-Deals noch Potenzial.

Steuergutschriften befeuern US-Investitionen in Carbon Capture

Carbon Capture zieht
US-Großinvestoren an

Bank of America stellt für ein Projekt zur Speicherung von Kohlendioxid großvolumige Finanzierungen bereit und sichert sich im Gegenzug Steuergutschriften. Analysten sehen für ähnliche US-Deals noch Potenzial.

Von Alex Wehnert, New York

US-Marktteilnehmer setzen in zunehmend größerem Stil darauf, dass Klima-Subventionen aus der Regierungszeit von Präsident Joe Biden auch in den anstehenden Legislaturperioden Bestand haben werden. So erfahren Investitionen in Carbon Capture – also Verfahren zur Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid aus industriellen Prozessen – in den Vereinigten Staaten gerade Aufschwung.

Nun kommt einer der größten Deals zustande, den das junge Marktsegment je gesehen hat: Bank of America stellt für Harvestone Low Carbon Partners, einen Ethanol-Produzenten aus North Dakota Finanzierungen über 205 Mill. Dollar bereit und erhält im Gegenzug großvolumige Steuergutschriften. Zuerst hatte das „Wall Street Journal“ über die Transaktion berichtet. Möglich macht diese der im August 2022 verabschiedete Inflation Reduction Act, in dessen Zuge die US-Regierung die Verfügbarkeiten von Tax Credits für Carbon Capture erheblich ausgeweitet hat.

Schwache Erfolgsbilanz

Bisher hat die Technologie zwar eine äußerst schwache Erfolgsbilanz vorzuweisen. Gemäß einer 2022 veröffentlichten Untersuchung des Institute for Energy Economics and Financial Analysis sind fast 80% der globalen Carbon-Capture-Flaggschiffprojekte gescheitert oder haben eine schwächere Performance geliefert als geplant. Auch in den USA treten wiederholt technische Probleme und bürokratische Hürden auf, die letztlich die Kosten ins Kraut schießen lassen.

Bei Vorzeigeprojekten wie Petra Nova, das 2016 unter großem Aufsehen in Texas eröffnete und die Emissionen aus einem Kohlekraftwerk außerhalb von Houston drücken sollte, wurde zum Problem, dass es für das abgeschiedene CO₂ keine ökonomisch vernünftige Folgeverwendung gab. Der Betreiber NRG Energy – einer der größten Versorger Amerikas – nahm das Carbon-Capture System, das ihn 1 Mrd. Dollar gekostet hatte, weniger als vier Jahre später wieder aus dem Betrieb.

Opec wirbt für Einsatz in der Ölgewinnung

Denn das bisher einzige Gebiet, auf dem abgeschiedenes Kohlendioxid großflächig zum Einsatz kommt, ist die Förderung fossiler Brennstoffe. So wirbt die Opec dafür dass sich CO₂ aus Carbon Capture in erschöpfte Ölfelder leiten und somit zur tertiären Ölgewinnung einsetzen lasse – also Techniken, die zu einer deutlich höheren Ausbeute beitragen als mit konventionellen Methoden möglich. Dass beim Verbrennen des so gewonnen zusätzlichen Öls wiederum neues Kohlendioxid freigesetzt wird, steht im Konflikt mit der Zielsetzung von Carbon Capture.

Dennoch gilt die Technologie als großer Hoffnungswert, um Treibhausgasemissionen aus Industrien zu reduzieren, die nicht einfach auf erneuerbare Energien umstellen können oder sogar in der Produktion und Verarbeitung von fossilen Brennstoffen aktiv sind. Darauf beruft sich auch Bank of America – es gehe bei der Finanzierung von Carbon-Capture-Projekten darum, den Unternehmen mit hohem CO₂-Ausstoß zu helfen, die sich bereits im Markt befänden.

ExxonMobil setzt auf Kohlendioxid-Pipelines

Bei Energieriesen stößt dies auf wachsendes Interesse: Im vergangenen Jahr übernahm ExxonMobil den Pipeline-Betreiber Denbury, der sich auf den Transport von Kohlendioxid spezialisiert hat, für fast 5 Mrd. Dollar. Der Deal soll den Texanern dabei helfen, die Basis für eine Expansion ihres eigenen Carbon-Capture-Geschäfts zu schaffen, das in den kommenden beiden Jahren erste Projekte an den Start bringen soll – und einem Ölriesen, der sich bisher kaum mit grünen Federn schmücken kann, damit den Weg in eine nachhaltigere Zukunft bereiten.

Indes besteht bei Carbon Capture über verschiedene Sektoren hinweg noch viel Ausbaupotenzial: Laut der Non-Profit-Organisation Clean Air Task Force sind in den Vereinigten Staaten zum Beispiel erst sieben Projekte in Betrieb, die im Rahmen der Herstellung von Ethanol und anderen Biotreibstoffen Kohlendioxid abspeichern – 49 weitere befinden sich in der Entwicklung. Ähnlich fällt die Verteilung in der Energieerzeugung, der Verarbeitung von Gasen, der Wasserstoffproduktion und bei anderen Industrieanlagen aus.

Die Bank-of-America-Transaktionspartnerin Harvestone Low Carbon Partners begann im vergangenen Oktober damit, Kohlendioxid aus ihrer Anlage in Underwood, North Dakota, abzuspalten und zu speichern. Dort produziert das Unternehmen Ethanol aus Mais-Biomasse, das Anbieter mit Benzin vermischen, um Auflagen der US-Umweltbehörde EPA erfüllen zu können. Nach Unternehmensangaben sollen sich über ihr Carbon-Capture-System die gesamten Kohlenstoffdioxid-Emissionen des Standorts im Volumen von 200.000 Tonnen pro Jahr auffangen lassen. Die Aussicht, verbundene Steuergutschriften an andere Unternehmen und Banken verkaufen zu können, macht die teure, an sich bislang unprofitable Technologie für Harvestone interessant.

Starke Einschränkungen für den Ausbau

„Große Investitionen in Carbon Capture dürften immer noch stark vom jeweiligen Einzelprojekt abhängig sein“, sagt PJ Deschenes, der globale Co-Chef von Nomura Greentech, einer auf grüne Technologien spezialisierten Einheit des japanischen Finanzdienstleisters. „Selbst unter Einbezug substanzieller Steuergutschriften sind viele Vorhaben noch immer recht teuer.“ Zwar werde die Ausweitung der Steuergutschriften im Rahmen des Inflation Reduction Act keine Flut an Carbon-Capture-Deals in der Breite der US-Industrie auslösen, in der Herstellung von Biotreibstoffen seien Finanzierungen wie jene von Bank of America aber durchaus sinnvoll.

Dies gelte aber nur, sofern die geologischen Bedingungen wie in North Dakota, wo sich nahe Felsformationen für die Kohlendioxid-Speicherung eignen, vorlägen oder der Anschluss an eine lange Pipeline vorlägen. Doch der Ausbau des Netzes in den USA schreite auch deshalb nur langsam voran, weil viele Landbesitzer sich gegen einen Verlauf über ihre Grundstücke wehrten. Neben North Dakota besitzen überdies nur wenige Staaten eine Erlaubnis der EPA, eigene Genehmigungen für Carbon-Capture-Systeme auszustellen. Harvestone bekam deshalb in nur neun Monaten grünes Licht. „Andernorts, wo der Freigabeprozess typischerweise über die Bundesebene läuft, dauert er sehr lang“, gibt Deschenes zu bedenken.

Langfristige Wette

Aus Sicht von Bank of America stellt der jüngste Deal einerseits einen Vertrauensbeweis an Harvestone dar. Denn das zweitgrößte US-Geldhaus setzt darauf, dass die Ethanol-Anlage mindestens für ein Jahrzehnt in Betrieb bleibt und sich in diesem Zeitraum weiter für Fördermittel des Bundes qualifiziert. Andererseits bringt sie damit ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass auch politische Machtwechsel in Washington keine einschneidenden Änderungen in der Klima-Subventionspolitik mit sich bringen werden.

Tatsächlich erfreut sich Carbon Capture auch unter Republikanern breiter Unterstützung. Denn Investitionen in die Technologie fließen vorrangig in rote Bundesstaaten. „Carbon Capture kommt bisher vor allem Öl- und Gaskonzernen zugute, ähnlich wie die Landwirtschaft in den vergangenen zwei Jahrzehnten von Biotreibstoff-Subventionen profitiert hat – das lässt unabhängig von politischen Machtverhältnissen eine stabile Förderpolitik erwarten“, betont Deschenes.

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