Stillstand unterm Pagodendach
Notiert in Frankfurt
Stillstand unterm Pagodendach
Von Lutz Knappmann
Vielleicht wäre die gewaltige Bauruine ja längst in Vergessenheit geraten, wenn sie nur weniger auffällig gestaltet wäre. Doch mit ihrem Pagodendach, dem opulenten, rothölzernen Eingangsportal und den vielen fernöstlichen Mustern und Symbolen, hebt sich die siebenstöckige Konstruktion im Süden Frankfurts maximal von ihrer Umgebung ab. Und stößt Passanten fast mit der Nase auf die Erkenntnis, dass sie unvollendet ist – und das seit bald 16 Jahren.
Längst hat sich der Rohbau des Hotels „The Diaoyutai Mansion“ damit in den Lokalmedien den Titel der „langsamsten Baustelle Frankfurts“ verdient. Und tatsächlich übertrifft das von der chinesischen Huarong-Gruppe projektierte Hotel inzwischen sogar die 14-jährige Bauzeit von Berlins Skandalflughafen BER.
Luxushotel mit Spa und Ballsaal
Ein Luxushotel in chinesisch-amerikanischer Eignerschaft, mit chinesischer Einrichtung, für chinesische Touristen und Business-Reisende sollte in der Frankfurter Rennbahnstraße entstehen. 214 Zimmer, ergänzt um ein Spa und einen riesigen Ballsaal: Die erste Adresse für die zahlreichen und zahlungskräftigen Reisenden aus Fernost, die alljährlich in der Mainmetropole Station machen. Und derentwegen auf Frankfurts nobelster Einkaufsmeile, der Goethestraße, längst chinesische Muttersprachler zum Stammpersonal der Luxusboutiquen gehören.
Ob diese anspruchsvolle Kundschaft dereinst wirklich im „The Diaoyutai Mansion“ absteigen kann, ist nicht abzusehen. Die benachbarte Pferderennbahn, der der Fünf-Sterne-Tempel seine einprägsame Adresse verdankt, ist längst verschwunden. Sie hat dem nüchtern und kühl gestalteten DFB-Campus Platz gemacht – der nun einen bemerkenswerten Kontrast zum auffälligen und ornamentreichen Design des unvollendeten Hotels bildet.
Rückkaufoption bleibt ungenutzt
Es wäre zu weit hergeholt, einen Zusammenhang zwischen dem gestrandeten Hotelprojekt in Frankfurt und der Krise im chinesischen Immobiliensektor herzustellen. Der rekordverdächtige Stillstand bei dem fernöstlichen Prestigebau beruht eher auf einer von so vielen Großprojekten bekannten Mischung aus hochfliegenden Plänen, ambitionierten Finanzierungsmodellen, Kostensteigerungen, Insolvenzen und wechselnden Betreibern. So berichteten lokale Medien zuletzt von vergeblichen Versuchen beteiligter Baufirmen, den Bauträger überhaupt zu erreichen.
Höchste Zeit also für die Stadtoberen, dem Problem-Projekt endlich ein Ende zu setzen? In dieser Woche wurde bekannt: Die Stadt Frankfurt hält zwar eine Rückkaufoption für Grundstück und Gebäude, könnte das Areal angesichts offenkundig überschrittener Fristen also wieder übernehmen. Der Magistrat wird diese Möglichkeit aber nicht nutzen, weil der Schuldenberg, den er mitsamt der Baustelle erben würde, viel zu hoch ist. Und so empfängt Reisende, die Frankfurt aus Südwesten erreichen, auch weiterhin ein ebenso verspieltes wie lebloses Architekturdenkmal.