Streit um Fondsberater eskaliert
Hässlicher Streit um Milliardenfonds
Die Kündigung eines Anlageberaters bewegt die Fondsbranche zutiefst
Von Wolf Brandes, Frankfurt
Am Rosenmontag endete eine der erfolgreichsten Partnerschaften der Fondsbranche. Die Frankfurter Kapitalverwaltungsgesellschaft Acatis mit Hendrik Leber an der Spitze kündigte die Beratungsgesellschaft Gané, die 2008 von Henrik Muhle und Uwe Rathausky gegründet wurde. Es geht um den Acatis Value Event Fonds, einen 7,5 Mrd. Euro schweren Mischfonds. Ein Produkt, das im abgelaufenen Geschäftsjahr (30.9.) eine Verwaltungsvergütung von 106,3 Mill. Euro eingespielt hat, die sich beide Seiten geteilt haben.
Unverständnis kommt von Gané. „Von der Partnerschaft haben beide Seiten profitiert, und das über viele Jahre. Wir sind mit Preisen überhäuft worden. Für Acatis war unser Fonds die Eintrittskarte zu wachsen und sich zu internationalisieren“, sagt Rathausky.
15 Jahre beste Partner
Leber spricht von „Selbstüberhöhung“ des langjährigen Partners. „Zuletzt war in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, dass Acatis im Fonds gar nicht mehr vorkommt. In Wirklichkeit haben wir uns 15 Jahre lang für den Fonds ins Zeug gelegt“, sagt der Acatis-Chef. Sein Haus sei die Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) und damit der Manager des Fonds.
„Die Tatsache, dass der Fonds ein Volumen von fast 8 Mrd. Euro erreicht hat, ist keine Leistung, die drei Leute von Gané im Alleingang erbracht haben.“ Dritter im Bund ist bei der in Aschaffenburg ansässigen Gané neben Muhle und Rathausky der Kapitalmarktstratege Marcus Hüttinger. Die längste Verbindung haben Leber und Muhle, der von 2002 bis 2007 als Analyst und Fondsmanager bei Acatis gearbeitet hat, bevor er sich selbständig machte.
Der Streit um den Milliardenfonds hat eine enorme Fallhöhe. Der Acatis Value Event ist für Acatis und Gané von immenser Bedeutung, so die Ratinggesellschaft Scope. Acatis verwalte ein Vermögen von 13 Mrd. Euro. Damit mache der Acatis Value Event ungefähr 60% der Assets aus.
Hendrik Leber, AcatisEin Produkt mit den gleichen Leuten, mit der gleichen Geschichte. Das hat uns alarmiert.
„Für Gané spielt der Acatis Value Event eine noch weitaus größere Rolle“, so Scope. Denn neben dem Schwergewicht verantworte die Gesellschaft lediglich zwei weitere Fonds mit zusammen 206 Mill. Euro. „Der Acatis Value Event stellt damit fast das gesamte von Gané betreute Vermögen.“
„Frontalangriff auf uns“
Auslöser für die Kündigung war die Auflegung eines Fonds, der für Leber wie eine Kopie des Acatis Value Event aussieht. „Ein Produkt mit den gleichen Leuten, mit der gleichen Geschichte. Das hat uns alarmiert, denn das ist ein echter Frontalangriff auf uns.“ Offen kommuniziert hatte man in den Monaten zuvor wohl nicht mehr. „Wir haben erst durch die Presse erfahren, dass Acatis uns gekündigt hat. Wir haben bis zuletzt für das Jahr 2024 mit den Kollegen von Acatis gemeinsame Vertriebsveranstaltungen und Termine geplant“, heißt es bei Gané.
Leber kontert, dass man auch nicht über die Auflegung des Gané Global Balanced unterrichtet worden sei. „Insofern sah ich auch keine Verpflichtung, sie vorab über unsere Kündigung zu informieren.“ Ein Fondsmanagerwechsel ist in der Branche nichts Ungewöhnliches. „Wenn er gut vorbereitet wird, kann eine erfolgreiche Strategie fortgeführt werden. Dass dem bisherigen Management kurzfristig der Stuhl vor die Tür gesetzt wurde, zeigt, dass hier nichts vorbereitet wurde“, bewertet Ali Masarwah von der Fondsplattform Envestor die Entwicklung. Aus Sicht von Gané seien nun ohne Not Kunden vor die Wahl gestellt worden, ob sie bei dem bisherigen Fonds bleiben, ob sie in einen unserer Fonds wechseln, oder ob sie aussteigen. „Das ist eine unerträgliche Situation.“
Uwe Rathausky, GanéDas ist eine unerträgliche Situation.
Nach dem Schritt rechnet man bei Acatis mit Einbußen beim Volumen. „Ich verstehe auch, dass einige Kunden verärgert sind. Aber wir haben jetzt auch mehr Geld zur Unterstützung des Vertriebs zur Verfügung“, so Leber. Da Acatis künftig die Beratungsgesellschaft einspart, kann sie die Verwaltungsvergütung komplett vereinnahmen. Selbst wenn große Summen abfließen, könnte sich das lohnen.
Aus Sicht von Masarwah spricht einiges gegen eine massenhafte Absetzbewegung. „Einmal wäre da die Trägheit der Masse zu nennen, zumal viele Anleger den Fondsmanagerwechsel nicht mitbekommen werden.
Und schließlich werden Finanzdienstleister durch eine Erhöhung der Bestandsprovision für den Acatis Value Event Fonds incentiviert, Kunden von einem Wechsel abzuhalten.“ Laut Masarwah erhalten Banken und andere Finanzdienstleister künftig eine Bestandsvergütung von 0,6% pro Jahr statt bislang 0,4%.
Eine echte Marke
Eine Zuspitzung im Verhältnis gab es vor ein paar Jahren bei einem Streit um den Fondsnamen. Acatis wollte beim Markenamt die Marke „Acatis Gané Value Event“ schützen – so hieß der Fonds früher. Vor Jahren hatte sich ein Erpresser den Namen Acatis eintragen lassen und die Firma abgemahnt. „Daraufhin haben wir alle unsere Fondsnamen schützen lassen, das ist legitim, als KVG müssen wir die Marke schützen“, erklärt Leber.
Gané hatte aber die Wortmarke der Firma 2011 sichern lassen und ging gegen den Schutz des Fondsnamen vor. Daraufhin wurde auf Betreiben von Acatis der Name Gané gestrichen.
Uwe Rathausky, GanéFür die Wiederaufnahme von Gané in den Namen des Fonds hatten wir im Zuge dessen sogar weitreichende Zugeständnisse angeboten.
„Selbstverständlich hätten wir im Vorfeld und haben vor allem danach für eine einvernehmliche konstruktive Lösung zur Verfügung gestanden und sind aktiv auf Acatis zugegangen. Für die Wiederaufnahme von Gané in den Namen des Fonds hatten wir im Zuge dessen sogar weitreichende Zugeständnisse angeboten“, sagt Rathausky.
Wie es nach dem Scherbenhaufen weitergeht, dazu haben die Beteiligten unterschiedliche Ansichten. Einig dürfte man sich dagegen sein, dass nun die Anwälte sprechen. Zu rechnen ist mit einem längeren Rechtsstreit.
In „gerader Linie“
Für die Bestandskunden soll sich aus Sicht von Acatis nichts ändern. „Das Anlagekonzept des Acatis Value Event Fonds sei nicht schwer fortzuführen. „Wir haben den Werkzeugkasten dafür. Und wir haben die praktische Erfahrung in großen Mandaten“, sagt Leber. Das Ziel aktienähnlicher Renditen bei geringerer Volatilität werde auch in Zukunft das Markenzeichen sein. Die Strategie der „geraden Linie“ mit einem Portfolio aus Qualitätsunternehmen und gut prognostizierbaren Cashflows bleibe 1:1 erhalten.
Das bezweifelt der langjährige Berater stark. In einer Online-Konferenz am Mittwoch weist Muhle darauf hin, dass das Anlagekonzept nicht replizierbar und originär von Gané entwickelt worden sei. Das Modell sei einzigartig im deutschsprachigen Raum. „Wenn das Gané-System so einfach wäre, dann hätten andere es schon längst kopiert“, ergänzt Rathausky. Scope sieht einen Managerwechsel bei einem erfolgreichen Fonds kritisch und setzt das Produkt intern unter besondere Beobachtung. „Im vorliegenden Fall erscheint der abrupte Austausch als besonderes Manko“, heißt es.
Um Anlegern ein dem alten Fonds vergleichbares Produkt zu bieten, werde der Gané Global Balanced auf das bewährte Konzept umgestellt und in Gané Value Event Fonds umbenannt, berichtet Muhle. Diesen Fondsnamen hatte man sich schon im April 2020 als Marke eintragen lassen – nach dem Markenstreit um die Acatis-Gané-Fonds.
Weitreichende Konsequenzen
Der Fall beleuchtet das Verhältnis zwischen Fondsgesellschaften, Assetmanagern und Beratern und Initiatoren. Die Konstruktion eines Fondsberaters unter einem Haftungsdach (so war es auch hier), der der KVG Anlagevorschläge unterbreitet, stellt aus Sicht von Volker Schilling „einen Umgehungstatbestand“ dar. So äußert sich der Vorstand der Greiff Capital im Onlineportal „Fonds professionell“.
Schilling vergleicht die Konstruktion mit der Eröffnung einer Bäckerei ohne Meisterprüfung. „Sie bedienen sich dann eines Bäckereihaftungsdaches, welches einen Meister beschäftigt, und eröffnen darunter Ihre Bäckerei.“ Die Frage sei, wer wen kontrolliert. Eine Klärung dieser „Umgehungstatbestände“ sei schon lange notwendig. Ein Appell, mehr Klarheit zu vielen Beteiligten im Fondsgeschäft und deren Beziehung zu schaffen. Doch bis sich hier etwas ändert, dürfte vielleicht auch der Rosenkrieg zwischen Frankfurt und Aschaffenburg beigelegt sein.