Streit um Umzug
Ferrovial
Streit um Umzug
Von Thilo Schäfer
Die Krise der Globalisierung provoziert vielerorts Ausbrüche von Wirtschaftspatriotismus. In Spanien hat der Umzug des Baukonzern Ferrovial in die Niederlande, der letzte Woche von den Aktionären auf der Hauptversammlung mit überwältigender Mehrheit abgesegnet wurde, die Gemüter erregt. In konservativen Kreisen, wo man sonst bei jeder Gelegenheit die rot-gelb-rote Nationalflagge schwenkt, stieß die vom Vorsitzenden und Haupteigentümer Rafael del Pino angetriebene Verlegung des Stammsitzes ins Ausland auf Verständnis. Die Linksregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez warf dem Ibex-Unternehmen dagegen eine mangelnde Verpflichtung gegenüber dem Heimatland vor.
Politiker wie Wirtschaftsministerin Nadia Calviño unterstrichen berechtigterweise, dass Ferrovial ohne die öffentlichen Großaufträge für den massiven Ausbau der Infrastruktur in Spanien in den vergangenen Jahrzehnten nie zu einem internationalen Player mit einem Marktwert von 20 Mrd. Euro aufgestiegen wäre. Das Unternehmen, das neben der Bautätigkeit auch Infrastruktur wie den Heathrow Airport in London und Mautstraßen in Nordamerika betreibt, rechtfertigt den Umzug damit, dass fast 80% des Umsatzes im Ausland erzielt werden und dass die Anteile größtenteils in den Händen internationaler Investoren seien, abgesehen von dem Drittel der Aktien des Gründerklans del Pino.
Viele Ibex-Konzerne könnten ähnlich argumentieren, wie etwa der Konkurrent ACS, der sogar 90% seines Geschäfts mit Bau und Betrieb von Infrastruktur außerhalb Spaniens macht. Aber kein Vorstand hat bisher nur ansatzweise angedeutet, dass man dem Schritt von Ferrovial folgen könnte. Das Unternehmen hat sich mit der Regierung über eine technische Frage gestritten, die für den Standort Spanien von großer Tragweite ist. Ferrovial will mit der Verlegung des Stammsitzes an der Börse von Amsterdam notieren und darüber ein Listing in den USA anstreben. Dies sei auf direktem Weg für eine spanische Firma angeblich nicht möglich, behauptet das Bauunternehmen. Zwei vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Gutachten der Marktaufsichtsbehörde CNMV und des Betreibers der spanischen Börsen BME, der zur Schweizer Six Group gehört, widersprechen diesem Argument. Fakt ist jedoch, dass bisher kein spanisches Unternehmen ein Dual Listing in New York angestrebt hat. Einige Konzerne sind über American Depositary Receipts (ADRs) an der Wall Street vertreten, wie Santander, BBVA, Repsol oder Inditex. Der Energieversorger Iberdrola lässt seine US-Tochter Avangrid in New York notieren. Die Regierung und BME räumen jedoch ein, dass sie sich jetzt erst darum bemüht haben, die Wege für ein Dual Listing spanischer Werte in den USA zu klären.
Ferrovial-Boss del Pino bestreitet derweil energisch die Vorwürfe, dass man aus rein steuerlichen Gründen nach Amsterdam umziehe. Doch seine Begründungen machen die Sache nicht besser. Dank des Triple A-Ratings der Niederlande seien die Finanzierungsbedingungen dort besser als in Spanien, und am Standort Amsterdam sei es leichter, „internationales Talent“ anzuziehen, als in der Metropole Madrid. Da können die Vorstände der anderen Ibex-Konzerne wohl nur mit dem Kopf schütteln und sich fragen, was sie in Spanien eigentlich noch verloren haben.
Aber die überzogene Reaktion der Regierung auf den Umzug von Ferrovial kommt im Unternehmerlager auch nicht gut an. Neben dem Vorwurf der treulosen Vaterlandsgesellen drohte die Regierung auf wenig verschleierte Art mit konkreten Konsequenzen, etwa durch das Finanzamt. Die Empörung über den Abgang von Ferrovial reiht sich ein in die scharfen Angriffe aus der Koalitionsregierung gegen bestimmte Konzerne, seien es Banken und Energieversorger, die mit einer Sondersteuer belegt wurden, oder die Supermärkte wegen der hohen Preise. Dabei wird Regierungschef Sánchez gelegentlich sogar persönlich und nennt Vorstände beim Namen.
Mit der Schelte der Wirtschaft können die Sozialisten vielleicht bei den Wahlen in diesem Jahr punkten. Dem Standort Spanien helfen solche Äußerungen jedoch ebenso wenig wie die fadenscheinigen Erklärungen für den Umzug von Ferrovial.