LEITARTIKEL

Stress im BMW-Vierzylinder

Als BMW vor zwei Jahren ihr 100-jähriges Bestehen feierte, herrschte im Konzern-Hauptgebäude, auch Vierzylinder genannt, Jubiläumsstimmung. Die Partylaune ist längst verflogen. Die Zeit der Ergebnisrekorde des Münchner Autobauers ist vorüber. Die...

Stress im BMW-Vierzylinder

Als BMW vor zwei Jahren ihr 100-jähriges Bestehen feierte, herrschte im Konzern-Hauptgebäude, auch Vierzylinder genannt, Jubiläumsstimmung. Die Partylaune ist längst verflogen. Die Zeit der Ergebnisrekorde des Münchner Autobauers ist vorüber. Die Konzernführung bekommt mächtig Gegenwind. Das drückt die Stimmung und erhöht den Arbeitsstress.In Bezug auf die Profitabilität legen Konzernchef Harald Krüger und seine Vorstandskollegen den Rückwärtsgang ein. Nach 2018 müssen sich die Aktionäre 2019 auf ein weiteres maues Jahr einrichten. Die Verwaltung könnte daher die Dividende abermals kürzen. Die Gründe sind vielfältig: hohe Aufwendungen für Elektromobilität, Belastungen infolge des Handelskonflikts zwischen den USA und China, der Preisdruck aufgrund starker Konkurrenz und vor allem eine Rückstellung von 1,4 Mrd. Euro für eine drohende EU-Kartellstrafe. Dies lässt die Umsatzrendite im Kerngeschäft auf ein Niveau schrumpfen, das BMW seit den Branchen-Krisenjahren 2008/09 nicht mehr verbucht hat.Der befürchtete Absturz der operativen Marge um 2,7 Punkte auf bis zu 4,5 % ist ein Alarmzeichen. BMW liegt damit weit unter ihrem Anspruch, dauerhaft 8 bis 10 % zu erwirtschaften. Das gut laufende Geschäft im größten Einzelmarkt China stützt den Konzern. Mit einem Effizienz-Sparprogramm im Modellangebot und im Einkauf im Umfang von 12 Mrd. Euro versucht Krüger gegenzusteuern, um die Zielbandbreite so rasch wie möglich wieder zu erreichen. Auf Einschnitte wie einen umfangreichen Personalabbau verzichtet er.Der CEO signalisiert damit, dass sich BMW keineswegs in einem Krisenmodus befindet, sondern eine kritische Phase in der Transformation der Technik erreicht hat, in der es danach wieder aufwärtsgehen soll. Und in der Tat ist das Unternehmen bilanziell kerngesund. Aufgrund ihrer finanziellen Solidität weist BMW eine der besten Bonitätseinstufungen von Ratingagenturen in der Autoindustrie auf. Doch das reicht längst nicht mehr, um die Anleger bei Laune zu halten. Die Kursentwicklung der Stammaktie spricht Bände. Seit Anfang 2018 hat das Papier 28 % an Wert verloren. Mancher Investor folgert daraus, dass es der Konzernführung an Überzeugungskraft und neuen Impulsen in der E-Mobilität fehlt. Die Unsicherheit in der Branche, die auch BMW trifft, spiegelt sich in der Führungsfrage wider. Ist der CEO, dessen Vertrag im Mai 2020 nach fünf Jahren ausläuft, der Richtige an der Konzernspitze?Krüger hält an seinem Kurs unbeirrt fest, bei den Antriebsformen mehrgleisig zu fahren, statt wie der von der Dieselbetrugsaffäre durchgerüttelte Volkswagen-Konzern voll auf E-Autos zu setzen. Für den Ansatz des BMW-CEO spricht, dass E-Autos in Europa bislang keinen Durchbruch erreicht haben. Bis auf wenige einzelne Märkte ist die Nachfrage gering aufgrund ihrer überschaubaren Reichweite, während Fahrzeuge mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren dominieren. Die staatlichen Kaufanreize für E-Autos erwiesen sich in Deutschland als Flop.Insofern ist der Kurs von VW-Chef Herbert Diess viel riskanter als der von Krüger, der die Fertigung darauf ausrichtet, je nach Bedarf auf Nachfrageveränderungen zu reagieren. BMW kann es sich indes nicht leisten, in der E-Mobilität zurückzufallen, ist doch jeder Hersteller darauf angewiesen, E-Fahrzeuge zu bauen, um die strengeren EU-Abgasnormen zu erfüllen. Ansonsten drohen empfindliche Strafen. Wer mit richtigem Tempo vorangeht, wird sich in den Zukunftsfeldern behaupten. Wer zu schnell vorstößt, kann Schiffbruch erleiden. Entscheidend für den Erfolg ist die richtige Balance. BMW hat mit dem i3 viel Lehrgeld bezahlt.Dass BMW unter Krügers Regie an Zugkraft verloren hat, täuscht. Zu der Einschätzung könnte man neigen, wenn man vergleicht, wie der VW-Chef für die E-Mobilität trommelt. Diess geht dabei lautstark vor, muss er doch das Image der Wolfsburger aufpolieren und den Rückstand in der Technik aufholen. Einen Kurswechsel benötigt BMW nicht, jedoch mehr Tempo, da die Wettbewerber ambitioniert vorstoßen bei der neuen Generation von E-Autos. Darauf muss BMW Antworten finden. Dazu braucht man aber keinen neuen Kopf an der Konzernspitze. Der Aufsichtsrat trägt die Strategie mit. Die Rückschläge nagen am Stolz des Unternehmens. Dennoch wäre es konsequent, wenn Chefkontrolleur Norbert Reithofer den Vertrag des CEO verlängert, solange dieser sich für die Aufgabe fit fühlt. Alles andere gleicht einem Eingeständnis, mit dem bisherigen Kurs gescheitert zu sein.——Von Stefan KroneckBMW fällt in der Profitabilität zurück. Das erzeugt Stress im Konzern. Die Unsicherheit, die BMW durchmacht, spiegelt sich in der Führungsfrage wider.——